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Archiv-Artikel

Zusammen tanzen in Baba Dogo

Junge Katholiken aus Berlin bereiten sich auf die juvenile Pilgerfahrt in die Domstadt Köln vor. Mitte August geht es zum XX. Weltjugendtag, im Schlepptau den Besuch aus Afrika, um den Papst zu sehen

VON PHILIPP GESSLER

Fragen wie: Du bist Christ? Wie ist das denn so?, die müsse sie in Köln eben nicht beantworten, meint Kristin Platek. Die blonde junge Frau, die gerade ihr Abitur bestanden hat, freut sich auch deshalb auf den Weltjugendtag dort, ein katholisches Großereignis, zu dem hunderttausende junge Leute in gut zwei Wochen aus aller Welt in die Domstadt strömen werden. Die 19-jährige Marzahnerin, Chrissy genannt, wird eine von ihnen sein. Sie findet es „atemberaubend“, mit jungen Christen aus anderen Ländern und Kulturen zusammenzutreffen. Lilly aus Baba Dogo wird auch dabei sein.

Baba Dogo muss man nicht kennen, vielleicht ist es sogar besser. Man ist nicht gezwungen, es allzu gut zu kennen. Denn es ist einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile der kenianischen Hauptstadt Nairobi. An sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten, geschätzt, etwa 20 Slums geklatscht. In Baba Dogo liegt die Arbeitslosenquote bei 80 Prozent. Und mittendrin die 23-jährige Lilly, die im vergangenen Sommer für ein paar Wochen die Gastschwester von Chrissy war. Die Marzahnerin hat bei Lilly und ihrer achtköpfigen Familie gelebt, immerhin in einem Steinhaus. Dazu kam noch Anne Poll, ebenfalls gerade mit dem Abi fertig, und – allerdings in einer anderen Familie wohnend – Katharine Gottschalk (19), beide aus Hohenschönhausen

Alle drei sind Dekanatsjugendhelferinnen aus Berlin und haben mit 28 anderen jungen Leuten von der Spree in Baba Dogo eine Schule mit aufgebaut. 15 ihrer kenianischen Gastschwestern und -brüder erwarten sie nun in Berlin. „Diese Herzlichkeit habe ich nirgendwo anders erlebt“, schwärmt Anne Polle noch heute. In den drei Wochen Kenia habe man neben der Arbeit nichts anderes getan, als zu singen, zu tanzen und sich zu freuen. Für die Reise und den Aufbau der Schule hatten die Deutschen zuvor ein Jahr lang Geld gesammelt, geworben und sogar einen Bauplan für die Schule mit erarbeitet.

In Nairobi beeindruckten die Zweistundengottesdienste in der dortigen Gemeinde Sacred Heart, mit viel Tanz und Gesang. „Es wäre schön, wenn wir so etwas in Deutschland auch hätten“, meint Katharine. Viel gemeinsame Freude am Glauben hat es demnach in Baba Dogo gegeben – Liebschaften untereinander nicht, wie die drei jungen Frauen versichern, gut züchtig-katholisch ging es zu. Auch das Kondomverbot des Vatikans im Schutz gegen Aids war dort kein Thema, obwohl es eines hätte sein können.

Die Aidsquote in den Slums Nairobis soll bei etwa 40 Prozent liegen. Immerhin, sagt Anne, in einem dortigen Aidsprojekt der Kirche habe man diese Frage relativ locker gesehen: Verhütung muss sein gegen Aids. Allerdings seien Kondome dort auch eine Kostenfrage. Aber solch brisante Kirchenthemen stehen beim Treffen mit den Kenianern weder in Berlin noch in Köln im Vordergrund.

Während der fünf Tage Berlin stehen neben einem Tag mit sozialem Engagement eher Feiern an erster Stelle. Es sei „schön zu sehen, wie Glauben in anderen Kulturen gelebt wird“, sagt Chrissy. Vielleicht gebe es da neue Impulse für einen selbst. Dass sich dabei die katholische Hierarchie in der ein wenig inszenierten Begeisterung der Jugend sonnt, die keinesfalls alles befolgt, was ihre Oberhirten fordern, stört die jungen Frauen nicht. Nur dass einer der deutschen Kölnfahrer Priester werden wolle, „obwohl er früher jede Woche eine andere hatte“, amüsiert sie dann doch.

Und der neue Papst, der erstmals in Deutschland auf dem Weltjugendtag auftreten werde? Benedikt XVI. fasziniert die jungen Frauen weniger als der späte Johannes Paul II. mit seinem Charisma, das glänzte trotz – oder vielleicht gerade wegen – seines Leidens. Chrissy meint trocken, Benedikt XVI. sei doch sowieso nur ein Übergangspapst. Aber „den Papst zu treffen sei sowieso nicht der Hauptgrund, nach Köln zu fahren“, sagt Anne. Spaß und Freude sind es, auch am Glauben. Der Glaube ist eine Gnade, schreibt Paulus. Vielleicht kann man sie tanzend in Baba Dogo erfahren.