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■ Zur Forderung nach „lebenslänglich“ für AndreottiDas letzte Aufbäumen der Justiz

Die Forderung nach der Höchststrafe für den siebenmaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti hat zu Recht weltweit Aufsehen erregt. Und das nicht, weil der Angeklagte bereits 80 Jahre alt ist und es „nur“ um einen einzigen Mord geht. Tatsächlich sitzen in Palermo und Perugia erstmals nicht nur die Mafiabosse, sondern wohl auch deren wichtigsten politischen Ansprechpartner in Rom auf der Anklagebank. Damit steht ein ganzes politisches System am Pranger – nicht nur in Italien, sondern in ganz Westeuropa und den USA.

Daß Andreotti, gegen den seit den 50ern nahezu alle Jahre ein Untersuchungsausschuß eingesetzt wurde, bisher immer alle Anschuldigungen unbeschadet überstanden hat, verdankt er im wesentlichen dem Kalten Krieg und amerikanischer Intervention. Nicht daß „Onkel Giulio“, wie er in Mafiakreisen hieß, als US-Freund verschrien gewesen wäre – im Gegenteil, auch er leimte die Amis, wo er konnte. Aber gleichzeitig galt Andreotti als der einzige in Rom, der imstande war, die Kommunisten gleichzeitig von der Regierung fern zu halten und doch nicht in eine revolutionäre Opposition zu treiben.

Sicher, der jetzige Antrag auf „lebenslänglich“ würde letztendlich schon aus Altergründen niemals vollstreckt. Trotzdem ist diese eher symbolische Forderung wichtig: Hier soll die Schwere der Anklage, die Verdorbenheit des Regimes, die Skrupellosigkeit der Nachkriegspolitik der sogenannten „freien Welt“ dargestellt werden. Gleichzeitig ist das hohe Strafmaß aber auch ein Aufschrei, vielleicht der letzte der italienischen Justiz. Denn überall im Lande sind die Politiker derzeit dabei, durch offene, mehr aber noch verdeckte Gesetzesänderungen und den Abzug erfolgreicher Strafermittler die seit zehn Jahren durchgesetzte entschlossene Verfolgung von Mafia und Korruption zu beerdigen. Andreottis Prozesse werden wohl die ersten, aber auch die letzten Verfahren über die Verfilzung von höchster politischer Macht und schlimmster Mafia gewesen sein. Werner Raith

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