■ Zur Einkehr: Atrium
Jeden Mittag treffen sich hier die Werbeleute und sonstigen Insider, die wissen, was trendy ist. Bewaffnet mit Handys, dezenten Akten-mäppchen und Muratti oder Gauloises, lassen sie sich im toskanischen Ambiente mit Prosecco und italienischer Pasta verwöhnen und genießen den Blick durch die bis zum Boden verglasten Scheiben auf den gemütlichen Hinterhof. Vorausgesetzt, sie sind nicht viel zu beschäftigt mit Geschäftsbesprechungen oder beruflich motivierten Mittagspausenflirts. Denn beides läßt sich kaum stilvoller abhandeln als zwischen den rotgelb-erdigen Wänden und Weinregalen dieser wohltuenden Insel inmitten der ansonsten weitgehenden Designprovinz Bremen.
Unter den leisen, appetitanregenden Klängen von Genesis, Zucchero oder diversen romantischen Opernarien läßt es sich auch wahrlich angenehm speisen. Vor allem, wenn die Küche eine so raffinierte Qualität auf den Teller zaubert wie hier, wo Pasta nicht einfach Nudeln sind, sondern auf den Punkt gegarte Penne, Spaghetti, Panzerotti und sonstige original italienische Teigwarenkunstwerke. Was freilich nicht verwundert, da der Restaurant-Betrieb des Atrium als eine Art Kostprobe zu verstehen ist, welche die Gäste zum Kauf ebendieser Waren im angeschlossenen Feinkostladen animieren soll, durch den man das Lokal betritt und wieder verläßt.
Unter diesem Anspruch entfaltet sich z.B. „Kaninchenrücken in Rotweinsauce mit Panzarotti“ (DM 14,50) zu einer hochkulinari-schen Komposition aus zartest-aromatischen Filetstücken in samtigweichem, harmonisch gewürztem Weinsahne-käseschaum an mittelbißfesten Hartweizenröhren (Penne, weil Panzarotti aus waren). Aber auch die Karoffel-, Erbsen- oder Linsensuppen mit Würstchen (8,50 Mark), die Geflügelleber mit Bratkartoffeln und Salat (13,50 Mark) oder die Pfifferlinge mit Kräuterrührei (14,50 Mark) und ähnliches mehr aus der täglich wechselnden Karte sind nicht zu verachten.
Überflüssig zu erwähnen, daß die Teller stets nur gerade ausreichend gefüllt sind, dafür aber auch als dekorativer Augenschmaus daherkommen. Denn die Gäste hier sind schließlich keine großen Esser, sondern große Genießer, die ihrer einigermaßen schlanken Linie treu bleiben wollen.
Das Schöne an dem Konzept im Bistro-Trattoria-Stil: Von den Tischen im oberen Teil des Raumes kann man den Koch bei der Zubereitung und beim Abschmecken der Gerichte hinter der Theke in der offenen Küche beobachten. Was den vorfreudigen Speichelfluß (und damit die gesunde, linienfördernde Verdauung) natürlich ungemein anregt. Und bei schönem Wetter kann man im Hof des Atrium draußen sitzen und sich wirklich wie in Bella Italia fühlen. Ja, die Werbeleute wissen eben, wie schön es ist, wenn man gut ißt.
Moritz Wecker
Atrium, Vor dem Steintor 34, Küche: Mo.- Fr. 12.30-18.00, Sa. 12-14 Uhr
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