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■ Zur EinkehrAuf den Weserterrassen

Bremens Bürgerhäuser haben etwas sehr Anständiges. Hier geht es gesittet zu, aber auch oft sehr fröhlich. Die Menschen hinter dem Tresen sind von einer anziehenden Gesprächigkeit. Mütter und Großmütter, die ihr Herzblut gemischt haben mit Liebesgeschichten auf Gomera und Töchterleid in Berlin, die ihr Häuschen in Vegesack haben und in Hastedt den Friseur.

Am bürgerhäuslichsten ist es natürlich frühlings auf den Weserterrassen. Die Menschen kommen aus dem Viertel herübergelaufen, und keinen empfängt nicht von irgendwoher ein herzliches „Hallo“. Und auch Fremdlinge fühlen sich mit einem halben „a“ und „o“ einbezogen, wenn langgezogen die Vokale über Menschen, Tische, Stühle streifen.

Natürlich sitzt man im Biergarten. Oben im Lokal über der Wendeltreppe ist es des Sommers leer. Aber aus offenen Fenstern tönt Weltmusik und auf den Fensterbänken sieht man Rücken, die gern auch von vorn gesehen sein wollen.

Im Vorüberstreifen gibt es da übrigens weiße Mäuse für fünf Pfennige das Stück. Die greife sich, wer hungrig kommt, freimütig aus dem Plastikkübel und schiebe sie in Tasche und Mund. Der gröbste Hunger will gestillt sein, bevor man sich dann in die Reihe vor dem Grill stellt.

Sanft schlängelt sich ein Kahn durchs Weser-S (Hallo, denken Sie dabei auch immer an den Horla?), sanft schlägt auch das Auge hier am Deich fast schon mittelgebirgige Saiten an. Und gemächlich reihen sich die Menschen vor dem Tresen des Biergartenkiosks. Die junge Frau vom vergangenen Herbst zapft mit einer fröhlichen Routine, als hätte sie winters hinter verschlossenen Jalousien weitergearbeitet – und immer steht einer bei ihr in der Tür und hält das Gespräch des Viertels mit sich selbst auf dem Laufenden.

Andere lernen noch. Aber es ist ja Frühling und sie sind willig. Und doch waltet eine gewisse Strenge am Ausschank. Von Wurst bis Putensteak wird hier jeder Kundenwunsch frisch auf den Grill gelegt und mit großer Inbrunst gewendet. So findet sich viel Zeit, den Jungs beim Fußballspiel in den Weserniederungen aufmunternde Blicke zuzuwerfen; aber das sehen die nicht. Außerdem gibt es ja noch die Bierschlange. Mit der Zeit lernt sich das Timing. Wie überall auch.

Imbiß-Gepflogenheiten werden übrigens streng geahndet. Putensteak ohne Salat? Njet! Zwei Putensteaks mit einem Salat? Zweimal Njet!! Hier schlägt das Bürgerliche wieder durch und sorgt mit sanfter Gewalt für die Gesundheit des Volkskörpers. ritz

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