■ Zur Einkehr: Die „Kaffeemühle“
Pächter Jörg Stenzel mußte lange kämpfen, bis er endlich seine Wunschimmobilie beziehen konnte. Der Bremer Stenzel, so gastronomie- wie welterfahren, kam zurück in seine Heimat, um eine stillgelegte Windmühle zu reaktivieren. Die mußte zwischenzeitlich als Adresse einer schnöden Fahrschule herhalten, doch Stenzel machte sie zu dem, was sie heute ist: zur „Kaffeemühle“. Ein weitgehend geschmackvoll restauriertes Ensemble mit weitläufiger Terrasse auf einem Hügel mitten in den Wallanlagen.
Schnell hatte sich herumgesprochen, daß die Terrasse der „Kaffeemühle“ ein netter Ort ist, um sich bei eigens komponierter Kaffeemischung und passablem Kuchen zu treffen. Wobei der Pächter auf die epidemisch verbreiteten Plastik-Monoblock-Stühle verzichtet und in stilechte Gartenmöbel investiert hat. In der Mühle hat Stenzel verschiedene Aufenthaltsqualitäten geschickt zu einem homogenen Interieur verbunden. Im Obergeschoß sitzt man elegant, im Erdgeschoß in Bistroatmospähre. Auch eine Bar hat noch Platz gefunden..
Wir probierten Jungschweinekrustenbraten mit Biersauce, Rotkraut und hausgemachten Kartoffelknödeln (24,50 Mark) und Bremer Stubenkükenragout, unorthodoxerweise mit Flußkrebsschwänzen statt mit Krebsnasen (31,50 Mark). Das Jungschwein war rustikal und schmackhaft, das Rotkraut ebenso, doch die Knödel als hausgemacht durchgehen zu lassen, verbot sich der Kollege beim ersten Biß. Da schmeckte die Fertig/Halbfertigware zu typisch durch. Das Stubenküken war von zarter Fleischqualität, die Flußkrebsschwänze fielen geschmacklich kaum auf und haben in diesem Traditionsgericht nichts verloren.
Leichte Resignation beschleicht einen immer dann, wenn die Bedienung die Frage nach einer Empfehlung durch die Auskunft zunichte macht: „Schmeckt alles gut!“. Variante B: „Es kommt auf Ihren Geschmack an! In der Mühle trat Variante A in Kraft. Eilig wird die Bestellung in die Kasse eingegeben, eilig die nicht ganz leere Mineralwasserflasche weggenommen, eilig – „Guten Appetit“ – der Teller serviert. Kein Wort zu viel. Als Gast fühlt man sich freundlich, doch nicht individuell behandelt: Keine Dienstleistungswüste ist das, es wächst ja was, doch so ebenmäßig wie in einer Fichtenschonung.
Wegen aparter Gaumengenüsse braucht niemand in die „Kaffeemühle“ zu kommen, über guten Bistro-Durchschnitt kommt die Küche nicht hinaus. Doch alle anderen mögen kommen: wegen der Lage. Mu
Am Wall 212
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