piwik no script img

■ Zur EinkehrIm Alex Grill

Die Auslage hinter der beschlagenen Vitrinenscheibe spricht Bände. Neben einem übervollen, riesigen Topf Krautsalat dampfen in einer etwas kleineren Schüssel in Ringe geschnittene Gemüsezwiebeln süßlich vor sich hin. Pepperoni- und olivenbestückte Schalen verleihen diesem Ensemble den heutzutage notwendigen Hauch scharfer Exotik, will man in der hart umkämpften Pommesbudenbranche konkurrenzfähig bleiben. Links vorne im Eck der Vitrine schließlich, als unverzichtbare Konzession an die Gesundheitswelle der 80er, schwitzen drei 0,5l-Milchmixgetränke der Geschmackszumutungen Kakao, Banana und Erdbeer in den perfekt miteinander harmonierenden Farben kackbraun, eiterweiß und schweinchenrosa vor sich hin. – So muß sie sein, die idealtypische Inneneinrichtung einer Imbißstube am Ende eines Jahrhunderts, das den Döner Kebap kommen und die olle Bockwurst gehen sah, das sich in der guten alten Zeit mit Pommes rotweiß begnügte und heute zum prall gefüllten Rollo exotique mindestens noch das Gläschen Rotwein aus dem Plastikbecher verlangt.

Alex Grill heißt dieser wunderliche Ort, in Delmenhorsts Innenstadt gelegen. Griechischen und italienischen Spezialitäten hat sich das türkische Inhaberehepaar verschrieben. So viele Staatsangehörigkeiten kann man diesen Menschen gar nicht verleihen, um diese mustergültig praktizierte multikulturelle Integrationsleistung angemessen zu würdigen.

Nicht nur ans leibliche, auch ans intellektuelle Wohl wird im Alex Grill gedacht. Die Lektüre gleich mehrerer METRO-Kataloge verkürzt die Wartezeit. So erfährt man, daß der Ablufttrockner Lavatherm T3 800 Umdrehungen in der Minute schafft und dabei nur 214 Euro kostet. Grübelnd, ob nicht bei mehr als 13 Kreisbewegungen pro Sekunde selbst einem Baumwollpullover das Kotzen kommt, wandert der Blick zu einem Anzugträger am Nebentisch, der kläglich daran scheitert, sein etwa 20 cm dickes Gyrosbrötchen unfallfrei in den Mund zu schieben. Aus zwei blinkenden Spielautomaten lockt fortwährend die Melodie von „The Entertainer“ – kein schlechter Witz für einen Automatenbauer – dazu, mindestens sein Restgeld sinnlos zu verpulvern. Ich widerstand und erwarb eine Thunfischpizza für sieben Mark. Allein die zentimeterdicke Goudakäseauflage rechtfertigte den Preis. Mampfend sah ich dem Anzugträger zu, wie er die Stätte seiner Niederlage verließ. Das Ehepaar wünschte ihm mitfühlend dennoch „eine schöne Tag“. zott

Bahnhofstr. 7 in Delmenhorst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen