: Zur Begrüßung ein nagelneuer Abschiebeknast
Wo Naimah H. starb: Grüne Spitzenpolitiker werden bei einem Besuch im Flüchtlingslager am Frankfurter Flughafen mit Neubauplänen überrascht
FRANKFURT taz ■ Auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen soll bis Ende 2001 für männliche Asylbewerber eine separate Isolierstation entstehen. Dies stelle eine exterritoriale „Sondereinrichtung“ dar, kritisierten gestern Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, und der Fraktionsvorsitzende der hessischen Grünen, Tarek Al-Wasir. Sie hätten von den Plänen kurz zuvor bei einem Treffen mit Vertretern des Bundesinnenministeriums, des hessischen Sozialministeriums und des Bundesgrenzschutzes erfahren. Die Abgeordneten besichtigten gestern das Internierungslager für Asylsuchende im Gebäude C 183 auf dem Flughafengelände. Anlass des Besuches war der Selbstmord der 40-jährigen Algerierin Naimah H. Anfang Mai. Die Frau hatte sich im Duschraum erhängt, nachdem sie über acht Monate interniert gewesen war. Özdemir und Al-Wasir kritisierten die „menschenunwürdigen Zustände“ und die lange Verweildauer der Flüchtlinge in dem hermetisch abgeriegelten Gebäude. Der Aufenthalt dort dürfe einen Monat keinesfalls überschreiten. Dann müssten die Menschen aus dem Flughafenverfahren herausgenommen und in regulären Asyleinrichtungen untergebracht werden.
Özdemir bestätigte außerdem die Befürchtungen, die soziale Organisationen und Kirchen in den vergangenen Wochen immer wieder geäußert hatten, dass ein Neubau im Süden des Flughafengeländes nicht nur eine Verbesserung der Unterbringung bedeuten könnte. Die geplante Isolierstation für „allein reisende, zurückgewiesene Männer“, so Al-Wasir, drohe zu einer „Insel der Hoffnungslosen“ zu werden. Beide Politiker wandten sich auch gegen Drohungen des hessischen Sozialministeriums, den Flughafensozialdienst von seiner Aufgabe der Betreuung der Flüchtlinge zu entbinden. Die gemeinsam von evangelischer und katholischer Kirche getragene Einrichtung solle, so Al-Wasir, möglicherweise wegen „politischer Unbotmäßigkeit“ abgestraft werden.
Özdemir hatte zu Beginn der Pressekonferenz außerdem erklären müssen, warum die mit der SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam geplante Besichtigungsfahrt von den Sozialdemokraten in der letzten Woche kurzfristig abgesagt worden war. Es hätten sich, erklärte er, wohl „Terminschwierigkeiten ergeben“, da nicht alle Interessierten innerhalb der SPD hätten mitreisen können. Deren Delegation habe sich nun auf Ende des Sommers vertagt. Bisher mache er sich keine Hoffnungen darauf, dass das Bundesinnenministerium in der Frage der Abschaffung des Flughafenverfahrens zum Einlenken bereit sei. HEIDE PLATEN
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