Zum Tod von Schauspieler Heath Ledger: "In mir sind so viele Geschichten"
Berühmt wurde er als schwuler Cowboy im Melodrama "Brokeback Mountain". Im Alter von 28 Jahren ist Heath Ledger gestorben. Neben dem Nachttisch lagen Schlaftabletten.
BERLIN taz Ein kleines Zimmer in einem Farmhaus, irgendwo im Mittleren Westen. Im Schrank hängen zwei alte zerschlissene Hemden auf einem Bügel. Das eine gehört Jack und ist einfarbig, das andere, das karierte, gehört Ennis. Das karierte wird von dem einfarbigen umhüllt. Es ist eine zärtliche, schützende Berührung, eine Geste, wie sie den Besitzern der Hemden nicht mehr möglich ist. Denn in dem Augenblick, in dem Heath Ledger als Cowboy Ennis Del Mar an den Schrank herantritt, in diesem Augenblick gegen Ende von Ang Lees Film "Brokeback Mountain", ist sein Freund, ist seine große, heimliche Liebe Jack (Jake Gyllenhaal) tot - vielleicht bei einem Unfall umgekommen, vielleicht bei einem homophob motivierten Angriff ermordet, so genau will darüber niemand sprechen. Ennis ist überwältigt, als er der Hemden in ihrer schüchternen Umarmung gewahr wird. Er nimmt sie an sich. Später, in seinem ärmlichen Trailer, hängt er seines - das karierte - über das einfarbige, über das Hemd Jacks. Spät, viel zu spät lässt Ennis in den Hemden eine Liebe zu, die zu leben er den Mut nicht fand.
Früh, viel zu früh ist Heath Ledger gestorben. Am Dienstagnachmittag wurde er in seinem Apartment in der New Yorker Broome Street tot aufgefunden. Neben dem Nachttisch lag ein Behälter mit Schlaftabletten; die Polizei mochte jedoch nicht sagen, ob eine Tablettenüberdosis den Tod verursachte. Ledger hinterlässt eine Tochter, die 2005 geborene Matilda Rose; von seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Michelle Williams, hatte er sich im vergangenen Jahr getrennt. Er wurde 28 Jahre alt.
Seine Rolle in "Brokeback Mountain" brachte ihm vor zwei Jahren nicht nur eine Oscar-Nominierung für den besten männlichen Hauptdarsteller ein, sondern auch allseitige Anerkennung, denn spätestens mit Lees Western-Melo war klar, dass Ledger unter den aufstrebenden, jungen Schauspielern sehr ernst zu nehmen war. Seinen Ennis Del Mar gab er verstockt, wie gefangen in einem starken und zugleich unbeholfenen Körper, unfähig, sich und seine Gefühle auszudrücken, wie abgeschnitten von den Möglichkeiten, die ihm das Leben bereitstellte. Damit gelang Ledger wie vielleicht keinem anderen Schauspieler vor ihm eine profunde Darstellung schwulen Selbsthasses und verinnerlichter Homophobie - eine Darstellung, die gerade deshalb so anrührend ist, weil sie sich zum Porträt eines Mannes weitet, der sich auf tragische Weise selbst im Weg steht.
In den deutschen Kinos wird Ledger in gut einem Monat wieder zu sehen sein - Ende Februar startet Todd Haynes experimenteller Bob-Dylan-Film "Im not there", in dem der gebürtige Australier eine der sechs Bob-Dylan-Figuren spielt. Sein Robbie ist ein Filmheld, dem Dylan nachempfunden, der unter anderem für Sam Peckinpah vor der Kamera stand. Haynes zeigt ihn vor allem als womanizer und abwesenden Familienvater; seine von Charlotte Gainsbourg gespielte Frau vernachlässigt er. Haynes sagte im Gespräch mit der taz, in der Figur Robbies die für die späten 60er, frühen 70er charakteristischen Aporien in Gender-Fragen anklingen zu lassen: Progressivität in den Ideen, Rückständigkeit in der Praxis.
Längst nicht nur jenseits des Mainstreams war Ledger zu Hause. Nachdem er Mitte der 90er-Jahre aus seiner Heimat Australien nach Hollywood gezogen war, spielte er zunächst in Komödien wie "10 Dinge, die ich an Dir hasse" oder "Ritter aus Leidenschaft". In einem Gespräch mit der New York Times verwahrte er sich dagegen, auf einen Rollentypus festgelegt zu werden. "Die Leute fühlen sich immer gezwungen, einen irgendwie zusammenzufassen", sagte er, "aber in mir sind so viele Geschichten." Auch an potenziellen Blockbustern arbeitete er mit. So wurde im Herbst "The Dark Knight", der neue Batman-Film, abgedreht. Verantwortlich zeichnet das Studio Warner Bros. Ledger hat die Rolle des Joker inne. Der Filmstart in Deutschland ist für August geplant; im Juli soll "The Dark Knight" in den USA anlaufen. Da die Werbekampagne gerade in ihrer ersten Phase auf die Figur des Joker zugeschnitten ist, sind die Geschäftsführer des Studios ratlos, wie sie auf den Tod Ledgers reagieren. Ein Sprecher von Warner Bros. beteuerte, was für ein "herausragender Mensch" Ledger gewesen sei. Die kalte Gesetzmäßigkeit, dass im Showbusiness alles immer weitergehen muss, können solche Worte nicht außer Kraft setzen.
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