Zum Prüfverfahren der Castor-Transporte: "Nicht nach den Regeln der Ingenieurskunst"
Der Nuklearexperte Michael Sailer über den Sinn von Computersimulationen für Castor-Behälter.
taz: Herr Sailer, die Prüfbehörde für die Castor-Behälter wirft dem Hersteller Unstimmigkeiten im Zulassungsverfahren vor.
Michael Sailer: Offensichtlich hat der Hersteller GNS den rechnerischen Nachweis für die Sicherheit nicht vollständig nach den Regeln der Ingenieurskunst durchgeführt. Wenn die Bundesanstalt für Materialprüfung die Nachweise der GNS nicht für belastbar hält, muss sie Nachbesserung verlangen.
Es besteht aber der Verdacht, die GNS habe die Computersimulation so gewählt, dass die gewünschten Ergebnisse herauskommen.
Das kann man schwer beurteilen. Tatsache ist, dass es keine starren Regeln für solche Simulationsrechnungen gibt und die Ingenieure immer mit einem gewissen Ermessensspielraum arbeiten. Dadurch entsteht eine Grauzone, die Raum für Interpretationen lässt. Dieser Graubereich liegt zwischen geringfügigen Abweichungen und dem Versuch, mit dem spitzen Bleistift zu rechnen, weil die Rechnung sonst nicht aufgeht.
Reicht das bestehende Prüfverfahren aus, um die Castor-Sicherheit zu gewährleisten?
Wenn die Prüfverfahren nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt werden, reichen sie aus, um sicherzustellen, dass der Castor kann, was er laut Vorschrift können soll. Natürlich sagt das noch nichts darüber, ob die Vorschriften streng genug sind.
Die Proben für Castoren werden meistens mit verkleinerten Modellen gemacht. Ist das nicht gefährlich, weil sich ein Castor in Originalgröße bei Unfällen anders verhält?
Computersimulationen von Fallversuchen sind für die Zulassung sehr wichtig, weil sie die Sicherheit des Castors verbessern. In Praxistests können nur wenige Crashs durchgeführt werden. Mit den Erfahrungen kann man genaue Rechenmodelle erstellen und verschiedene Fallvarianten simulieren. Mit dem Computer kann man auch kleinste Verformungen erfassen, die man in praktischen Tests kaum messen kann.
Wird es einmal Alternativen zu den Transporten geben?
Die Wiederaufarbeitung ist eine schlechte Methode, weil sie die Umwelt kontaminiert und auch ökonomisch unsinnig ist. Brennelemente aufzuarbeiten war in den 80er- und 90er-Jahren vorgeschrieben. Der Müll der Castor-Transporte stammt noch von diesen Brennstäben.
INTERVIEW: TARIK AHMIA
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