■ Zum Neubau der US-Botschaft: Imperiale Geste
Es gab in diesem Jahr reichlich Anlaß, deutsch-amerikanische Freundschaft medienwirksam abzufeiern. Die erste Jahreshälfte stand ganz im Zeichen der Verabschiedung der US-Truppen. Es regnete warme Worte; Friendship, amerikanische Offenheit, Liberalität und Toleranz wurden beschworen noch und noch. Am Pariser Platz, wo Bill Clinton im Sommer gefeiert wurde, wollen die USA bis zum Jahr 2.000 ihre Botschaft wiedererrichten. Über diese Pläne aber herrscht eine Mauer des Schweigens wie zu Zeiten der alliierten Vorherrschaft über Westberlin. Dieser Eindruck vermittelte sich manchem Parlamentarier im Stadtentwicklungsausschuß des Abgeordnetenhaus, als dort ein US-Diplomat zur Botschaftsplanung befragt wurde. Wie Vertreter einer Bananenrepublik wurden die Abgeordneten mit Nichtigkeiten abgespeist. Er sei, so die Lieblingsformel des Amerikaners, zu keiner Aussage über Details autorisiert. Selbstverständlich hat jede Regierung das Recht, über Bau und Ausgestaltung ihrer diplomatischen Vertretungen zu entscheiden. Unbestreitbar ist auch, daß der künftige Sitz der Großmacht an einer der exponiertesten Stellen der Stadt höchst diffizile Sicherheitsfragen aufwirft. Im Kern wissen alle Beteiligten, daß den Amerikanern die von Senatsbaudirektor Stimman gewünschte Blockrandbebauung Kopfzerbrechen macht. Lieber wäre ihnen ein Komplex inmitten des Geländes, in sicherem Abstand vom Platz und von der Öffentlichkeit. Wenn es um ihre Botschaft geht, kennen die US-Vertreter nur die Sprache des Kalten Krieges: Statt Offenheit und demokratische Kultur, die mehr als ein Mindestmaß an Informationen ausmacht, wird hinter verschlossenen Türen agiert. Die Botschaft lautet: Am Pariser Platz endet die amerikanische Freundschaft und beginnt die Machtpolitik. Severin Weiland
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