■ Zum Hintergrund: WCM, Ehlerding, IUB, Gewoba – worum geht es?
„Wir wollen nicht unter dem Glücksrad von Herrn Ehlerding landen“, hat der Betriebsratsvorsitzende der Gewoba, Jörg Neitzel, am Samstag an die Delegierten des SPD-Unterbezirksparteitages appelliert. Die 24,2 Prozent der Anteile sollten an die Börse und an kleine Aktionäre vergeben werden, aber „bitte nicht an die WCM.“ Wer ist Ehlerding? Was WCM?
Mit rund 67 Prozent ist das Ehepaar Ingrid und Karl Ehlerding Großaktionär der Hamburger „WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG“. Um die Brisanz des Komplexes zu verstehen, muss man an folgendes erinnern: Ehlerding hat 1998 zwei ungewöhnlich hohe Spenden von insgesamt mehr als 3,3 Millionen Mark an die CDU überwiesen. Die WCM wiederum gehörte damals zu einer regionalen Bietergruppe, die am 23. Juni 1998 von der Bonner CDU/FDP-Koalition mit einem Vorvertrag den Zuschlag für 31.000 Eisenbahnerwohnungen bekam. Helmut Kohl erklärte dazu später: „Auch in diesem Fall lässt sich in keiner Weise der Vorwurf der Bestechlichkeit oder der Vorteilsnahme ableiten. Die Spenden für die CDU stehen in keinem Zusammenhang mit der Entscheidung bezüglich der Eisenbahnerwohnungen.“
Prof. Rudolf Hickel, seit Jahren Mitglied des Aufsichtsrates der Gewoba, hat zur Spenden-Bereitschaft Ehlerdings für die „International University“ (IUB) und sein Interesse an einem Gewoba-Anteilspaket folgende „ausschließlich persönlich zu verantwortende“ Stellungnahme abgegeben:
Die entscheidende Frage ist, wieso dieser Beschluss des Landesvorstands der SPD (Bremen soll 50,1 Prozent der Gewoba-Anteile behalten, d.Red.) überhaupt erforderlich geworden ist. (...) Auslöser dieser nach dem Koalitionsvertrag überhaupt nicht erforderlichen Diskussion ist das Interesse des Immobilenkonzerns WCM, an der Gewoba eine Sperrminorität (25 Prozent plus x) zu übernehmen. Hier agiert der gebürtige Bremerhavener Großaktionär Ehlerding. Er will wohl auch als Sponsor der International University Bremen aktiv werden. Das ist zweifellos verdienstvoll. Allerdings darf dieses Engagement nicht mit der Neuverteilung der Eigentumsrechte an der Gewoba verknüpft werden. Derzeit werden 24,2 Prozent Gewoba-Anteile bei der Hibeg geparkt. Die müssen natürlich verkauft werden. (...) Würde der WCM-Konzern jedoch diese geparkten Anteile übernehmen und eine Erhöhung durch die Abgabe anderer Eigentumsanteile auf 25,1 Prozent erreichen, dann würde sich die Eigentumsstruktur mit großen Folgen verändern: Die Gewoba hätte einen Großaktionär mit einer Sperrminorität, über dessen Ziele derzeit viel – aus der Erfahrung auch mit der Bremischen Beamtenbaugesellschaft – eher bedrohlich spekuliert wird. Wird vom Minimalanteil mit 50,1 Prozent des Landes ausgegangen, dann müsste eine der Banken ihren Kapitalanteil reduzieren, um 25,1 Prozent für die WCM verfügbar zu machen. Gemunkelt wird, dass dazu die Städtische Sparkasse Bremerhaven ihren 1,42 Prozent Anteil abgeben muss. Schließlich ist der WCM-Konzern auch bei der Finanzierung des Schiffbaus in Bremerhaven engagiert. (...)
Im Senat gibt es relevante Kräfte, die nach Verzicht auf den Börsengang Interesse daran haben, den WCM-Konzern mit noch mehr als 25,1 Prozent auszustatten. Das ist wohl auch der Anlass für den Landesvorstand der SPD, eine vom Koalitionsvertrag her selbstverständliche Position nochmals zu zementieren. (...)
Ein Rätsel gilt es aufzuklären: Wie kann die CDU zuerst den heftig umstrittenen Börsengang per Koalitionsvertrag durchsetzen – und die Beteiligten, auch die Beschäftigen mit ihrem Betriebsrat stellen sich konstruktiv darauf ein – jedoch plötzlich darauf verzichten, um einen Großaktionär zum Zuge kommen zu lassen?
Rudolf Hickel
Den vollständigen Text können Sie sich per E-Mail zusenden lassen von hickel@uni-bremen.de.
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