■ Zum Haarewaschen ist Balsamessig zu schade – aber für ein Dessert?: Die teuerste Kostbarkeit Italiens
Polizeiruf 110“: Die beiden Kommissare sitzen im Office und knobeln an einem unerklärlichen Mord per Autobombe. Schiebt der eine als zerebrales Dope einen Teller mit dem Italo-Dreiklang Mozzarella/Tomate/Basilikum auf den Schreibtisch. Macht der andere die Schublade auf und holt nicht etwa die Dienstwumme raus, sondern? Ein Fläschchen Aceto Balsamico. Szenen eines deutschen Krimis.
Längst gehört der Balsamessig zur Grundausstattung jedes anständigen Haushalts. Wenn einem als Geburtstagsgabe nun wirklich nichts mehr einfällt: So ein schickes Fläschchen mit braunem Gluckgluck macht sich immer gut. Der echte Balsamico tradizionale ist, mit Verlaub, schweineteuer. Aus gutem Grund: Er reift über Jahre und Jahrzehnte. Von einem Doppelzentner Traubenmost bleiben nach fünfmaligem Umfüllen nicht mehr als zwei Liter Balsamessig übrig. So hat der Essig also die Trüffel abgehängt. Er ist die teuerste Pretiose Italiens.
Angesichts der Preise ist es natürlich Hohn, den edlen Sirup als Medizin, zur Wundversorgung oder gar zum Haarewaschen zu nehmen, wie dies in manchem Essigbrevier empfohlen wird. Schon den Einsatz zu einem einfachen Salat überlegt sich mancher zweimal.
Dabei muß es ja nicht immer „Tradizionale“ sein. Viele Erzeuger in Italien bieten inzwischen mehrere Qualitätsstufen an. Auch unterhalb des Tradizionale-Tickets gibt es nicht nur Plörre, sondern tolle Essige, die dann dreißig oder fünfzig Mark das Fläschchen kosten. Sie sind dann auch auf traditionelle Weise erzeugt, haben aber einge Jahre weniger in der Fässerbatterie zugebracht. Andererseits: Unter zehn Mark bekommt man kaum etwas anderes als industriell synthetisierte Essigsäure, mit Teerderivaten eingefärbt und einem Karamel-Pfeffer-Senfpulver-Ingwer-Nelken-Gemisch und künstlichem Aroma getunt.
Gemeinhin wird der edle Tropfen für Saucen verwendet. Auch Steaks und gebratene Leber gewinnen, gut einbalsamiert, an Geschmack und Feinheit. Gemüsegerichte werden – warum eigentlich? – schon seltener mit dem weichen Essig gewürzt. Dicke, weiße Bohnen und Artischockenherzen, al dente gekocht, in Olivenöl durchgeschwenkt und mit drei Eßlöffeln Balsamico verfeinert, sind einen Versuch wert. Taz-Leser Andrea Arcais mischt diese Melange unter Farfallenudeln und nennt das „sardinisch-westfälische Freundschaft“.
Leider trauen sich nur wenige Genossen mit ihrem schönen Essig an ein Dessert heran. Das muß anders werden. Deshalb hier zwei süße Anwendungen:
1.) Balsamico-Zwetschgen à la Vincent Klink. Die Früchtchen entsteinen und in Butter anbraten, drei bis vier Eßlöffel Zucker dazugeben und leicht karamelisieren lassen. Jetzt ein, zwei Schnapsgläschen Balsamico – zisch! – ab in die Pfanne, das Gebräu durcheinanderhudeln und würzen. Dazu nehmen wir entweder Nelke und Piment oder Zimt oder Sternanis. Bitte nicht alles zusammen, Weihnachten ist erst wieder am 24. Dezember. Diese Leckerei servieren wir mit Vanille- oder Zimteis und bitten die verzückt schreienden Gäste um Zimmerlautstärke.
2.) Balsamico-Erdbeeren à la Michaela Pfeiffer (Essen & Trinken). Ein Viertele leichten Rotwein mit 6 Eßlöffel Zucker und – bitte jeden Kleinmut abstreifen – ebenfalls 6 Eßlöffel bestem Balsamico verrühren. Den Mix aufkochen und reduzieren bis zur leichten Sirupkonsistenz. Etwas abkühlen lassen! Alsdann die Erdbeeren vorsichtig mit dem Sirup mischen. Puristen essen das genauso so. Verrückte servieren dazu Ricotta mit Minzsauce und bröckeln ein paar Amarettini drüber. Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen