: Zum Beispiel Berlin
Eine Reportage zum Thema Ausländerfeindlichkeit, ARD, 20.15 Uhr ■ Von Annette Rogalla
Berlin hat sein Negativimage weg. Die Bundeshauptstadt ist alles andere als freundlich zu Fremden, nimmt einen der ersten Ränge ein auf der Liste der ausländerfeindlichen Städte in Deutschland. Da kann es einem „nichtdeutschen“ Kinobesucher im multikulturellen Kreuzberger Kiez passieren, gegen elf Uhr abends auf offener Straße niedergeschlagen und ausgeraubt zu werden. Im Ostteil der Stadt fürchten sich Menschen aus Mosambik und Vietnam vor ihren Nachbarn, mit denen sie seit mehr als zehn Jahren Tür an Tür leben. Seitdem sich Deutsche mit Deutschen vereinigt haben, wächst die Furcht der Nichtdeutschen. Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU), überzieht die Wände der Stadt in gutgemeinter Absicht mit „Pro Ausländer“-Plakaten. Zeichen von Hilflosigkeit sind solche Werbekampagnen angesichts der massiven Feindlichkeit, die Deutsche den etwa 300.000 in Berlin lebenden Ausländern entgegenbringen.
Wie Berliner und Berlinerinnen mit der rassistischen Entwicklung in ihrer Stadt umgehen, führen vier Fernsehautoren mit Zum Beispiel Berlin dem gesamtdeutschen Publikum gleich nach der Tagesschau vor Augen. Vier zehnminütige Reportagen sollen vier Teilbereiche ausleuchten: Felix Kuballa fand einen Jugendclub, den „Glatzen“ aus Ost- Berlin selbst verwalten. Ein Sozialarbeiter aus dem Westen, der sich eher der linken Tradition zugehörig fühlt, überwindet seine Kulturschranken und betreut Skins (siehe taz vom 19.2.). Optimistisch, wie es das Berufsimage von ihm verlangt, rechnet er sich reelle Chancen aus, rechte Schläger zu Demokraten resozialisieren zu können. Finanziell wird das Pilotprojekt in den nächsten drei Jahren gut aus Bonn unterfüttert: Unter anderen spendiert Bundesjugendministerin Angela Merkel, CDU, den Skins im Herbst einen Abenteuertrip in die Wüste. Dort sollen sie lernen, „praktische Probleme des Alltags zu bewältigen“.
Daß dieselben Skins derzeit noch auf einer anderen Linie liegen, konnte Gert Monheim in seinem Beitrag über den multinationalen Fußballverein „Türkiyemspor“ beobachten. In Berlin Kreuzberg ansässig, spielt der Verein seit Jahren um seinen Aufstieg von der Amateuroberliga in die zweite Bundesliga. Bei „Türkiyemspor“ sind Kicker aus acht Ländern mit von der Partie. Ein absoluter Publikumsliebling, dem pro Spiel bis zu 15.000 Fans zujubeln. Allerdings nur im Westteil der Stadt. Wenn Spiele in Ostberlin anstehen, bleiben vor allem die türkischen Fans zuhause — aus berechtigter Angst vor Überfällen. Der Film von Monheim zeigt, wie ostberliner Skins auf den Rängen randalieren und ausländische Fans angreifen.
Die Polizei reagiert in Berlin seit einigen Jahren mit einer Sondereinheit auf Gewalt von Rechts. Beamte der „AG-Gruppengewalt“ sind psychologisch ausgebildet und diskutieren mit Rechtsradikalen. Sie betreiben aufsuchende Sozialarbeit. Peter Schran begleitete die Streetworker der etwas anderen Art, die gelegentlich auch Handschellen anlegen. „Fruchtbar“ werden die Gespräche der Polizisten immer dann, wenn die Rechten wissen kriegen, daß sie bereits mit anderthalb Beinen im Knast stehen, wenn ihnen die Grenzen ihres Tuns per Strafandrohung gezeigt werden. So jedenfalls die Erfahrung der Sondereinheit.
Angesichts ihrer mangelnden Kompetenzen steht Barbara John, dienstälteste Ausländerbeauftragte, mutterseelenallein da. Nicht nur die Parteifreunde von der CDU instrumentalisieren die Ausländerfeindlichkeit und nutzen sie — besonders im Wahlkampf — für ihre politischen Zwecke aus. Wie sie das machen, darüber schweigt sich Barbara John bei Nachfragen von Yoash Tatari allerdings aus.
Doch nicht nur in Berlin sitzen die Brandstifter der Ausländerfeindlichkeit in hohen politischen Ämtern. Die Reportagen der WDR-Autoren lassen sie außer acht. Die deutschen Biedermänner und -frauen, die immer brav Beifall klatschen, sie werden heute abend nicht gezeigt. Die dreiviertelstündige Sendung bringt keine Rundumschau, sie wirft vier Schlaglichter auf ein allgegenwärtiges Thema.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen