Zulassung zum Studium: Ein kleines bisschen Elite

Spitzenuniversitäten sollen sich selbst die besten Studierenden aussuchen dürfen. In der Praxis verzichten die Berliner Unis bislang weitgehend auf Eingangstests.

Da kommt nicht jeder rein: Hörsaal einer Uni Bild: DPA

Auswahlgespräch, Eignungstest oder Abinote? Nach welchen Kriterien die Berliner Universitäten künftig ihre Studierenden auswählen sollen, ist unter den Hochschulpräsidenten umstritten. Eine Novelle des Berliner Hochschulgesetzes von 2005 legt fest, dass nur noch 40 Prozent aller StudienbewerberInnen nach der Abiturnote aufgenommen werden sollen. Die restlichen 60 Prozent sollen die Unis selbst auswählen. Diese Eigenständigkeit hatten die Universitäten jahrelang eingefordert. Doch genutzt wird die neue Möglichkeit nur sehr begrenzt.

Am Freitag entscheiden Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat erneut, welche Unis Geld aus dem Exzellenztopf bekommen. In der zweiten und vorerst letzten Runde konkurrieren acht Unis um 2 Milliarden Euro.

Eliteuni: Um den Elite-Status zu erringen, muss eine Uni Spitze in der Nachwuchsförderung sein, interdisziplinäre Forschungsverbünde fördern und eine langfristige Profilierungsstrategie vorlegen. Wer mit Graduiertenkolleg, Exzellenzcluster und Zukunftskonzept überzeugen kann, darf sich Elite-Uni nennen und bekommt 21 Millionen Euro im Jahr. Berlin ging in der ersten Runde leer aus, Elitestatus erhielten 2006 die zwei Münchner Unis sowie Karlsruhe. HU und FU wurden aufgefordert, ein Zukunftskonzept einzureichen, und dürfen nun hoffen, dass wenigstens eine von ihnen zur Elite aufsteigt. Insgesamt konkurrieren in der zweiten Runde acht Universitäten um knapp 2 Milliarden Euro, die Bund und Länder für die nächsten fünf Jahre bereitstellen.

Erste Runde: Erfolgreiche Berliner Projekte waren 2006 die "Berlin Mathematical School" von TU, FU und HU sowie die Graduiertenschule "Berlin School of Mind & Brain" unter Führung der HU. Die FU war mit der Graduiertenschule für Nordamerikastudien des JFK-Instituts erfolgreich, die HU mit "Mind and Brain". Dort erforschen Nachwuchswissenschaftler Gehirn und Willen. Unter den geförderten Projekten waren Geisteswissenschaften die Ausnahme.

Zweite Runde: Die HU reicht einen Exzellenzcluster, vier Graduiertenschulen und das Zukunftskonzept "Translating Humboldt into the 21st Century" ein. Ihr Schwerpunkt liegt auf den "integrativen Lebenswissenschaften" an der Schnittstelle zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Die FU beantragt drei Exzellenzcluster und zwei Graduiertenschulen. Sie will zur "International Network University" werden und hat ein entsprechendes Zukunftskonzept eingereicht.

Die TU ist nur mit zwei Exzellenzclustern dabei, reicht aber unaufgefordert zwei Graduiertenschulen, ein Exzellenzcluster und das Zukunftskonzept "Bridging The Gap - From Invention to Innovation" ein. Sie will sich besonders in der Informations- und Kommunikationstechnologie und der Chemie profilieren.

"Wir gehen dieses Thema sehr behutsam an", sagt Jörg Steinbach, Vizepräsident der Technischen Universität. Bislang gibt es an der TU keine universitären Auswahlverfahren: Steinbach organisierte im Februar letzten Jahres eine Fachtagung zum Thema, auf der etwa Kollegen von der Charité von ihren Erfahrungen mit dem sogenannten "Medizinertest" berichteten. Seitdem steht Steinbach Unitests eher skeptisch gegenüber. In den TU-Fachbereichen gibt es dazu allerdings kontroverse Meinungen.

Die Architekten etwa wünschen sich dringend einen fachspezifischen Eingangstest, der im Gegensatz zum Abi auch die künstlerische Eignung misst. Entsprechende Entwürfe werden derzeit erarbeitet. Der Vorteil: So manchem Studierenden könnte damit eine unglückliche Studienwahl erspart werden. Dagegen spricht, dass für die Ausarbeitung eines fairen und gerechten Tests verbindliche Kriterien fehlen. Zudem müssen laut Gesetz weiterhin 40 Prozent der Plätze nur nach Abiturnote vergeben werden.

Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität, hält es für "nicht wünschenswert, dass sich die Universitäten ihre Studierenden selbst aussuchen sollen". Die Abiturnote sei bereits "ein gutes Kriterium für die Studierfähigkeit von Bewerbern". Daher solle man den Schulabschluss nicht entwerten. Trotzdem erprobt die FU seit 2006 als Pilotprojekt einen fachspezifischen Eingangstest. Doch sollte eine erste Evaluation dem Vergleich mit der Abiturnote als Kriterium nicht standhalten, werde man den Test umgehend wieder abschaffen, betont Lenzen gegenüber der taz. "Ich bezweifle, dass solche Tests mehr über die Studierfähigkeit aussagen als die Abiturnote."

Das Thema "universitäre Eignungstests" ist ein Nebenprodukt des Exzellenzwettbewerbs, der seit 2005 die Hochschullandschaft durcheinanderwirbelt. Eine Universität, die im Wettbewerb Spitze sein wolle, solle sich auch nur die besten Studierenden aussuchen dürfen, so die Logik der Exzellenzverfechter. Deren prominentester Vertreter heißt Christoph Markschies und ist Präsident der Humboldt-Universität. Erst letzte Woche rief er, scheinbar überraschend, dazu auf, mehr BewerberInnen ohne Abitur eine Chance zum Studium zu geben. Eine universitäre Eignungsprüfung sei sozial gerechter als die Kriterien, die der Abiturnote zugrunde lägen. Die eigentliche Botschaft hinter der sozialen Argumentation aber war: Das Abitur ist ein ungenügendes Kriterium für Studierbarkeit, stattdessen sollten Tests entscheiden.

Kritiker befürchten, dass durch die Tests eine Spaltung der Hochschullandschaft in wenige Hochleistungs- und viele mediokre Massenunis nach dem Modell der USA vorangetrieben wird. Dort entscheiden besonders an den renommierten Universitäten kostenpflichtige Tests über die Aufnahme, ihre soziale Gerechtigkeit ist umstritten.

Markschies hat keine Angst vor einer solchen Spaltung - und im Gegensatz zu seinen Kollegen propagiert er sie auch öffentlich. Er möchte mit der HU in die Liga der vom Exzellenzwettbewerb gekürten Eliteuniversitäten aufsteigen - und künftig für alle begehrten Studiengänge Auswahlverfahren einrichten. "Nicht jeder Anwärter für ein Chemiestudium hat das Zeug zum Spitzenforscher. Aber vielleicht zu einem guten Chemielehrer", sagt der HU-Präsident. Im Fachbereich Chemie gibt es an der HU bereits Auswahlgespräche. Bisher nur ein Pilotprojekt, das als nächstes in den Geisteswissenschaften erprobt werden soll.

Statt eines Eingangstests befürwortet Markschies allerdings ein Gespräch am Ende des ersten Semesters. Die HU sieht sich darin als Vorreiterin: "In Ländern, in denen die Differenzierung der Hochschullandschaft ausgeprägter ist, funktionieren Auswahltests. In Berlin stehen wir noch am Anfang."

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