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Zukunftsbranche in GefahrNeoliberales Begräbnis

In Emden steht Siag vor dem Aus. Niedersachsen verweigert dem Offshore-Zulieferer Bürgschaften und Transfergesellschaft.

Rettung ungewiss: Windkraftanlagen-Fundamente auf dem Gelände der Siag Nordseewerke in Emden Bild: dpa

EMDEN taz | Die Stimmung sei kämpferisch, berichtet Wilfried Alberts, Erster Bevollmächtigter der IG Metall im ostfriesischen Emden. Auf einer Belegschaftsversammlung sei am Mittwochvormittag bei den Siag Nordseewerken in Emden deutlich geworden, „dass die Mitarbeiter die Politik des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums nicht akzeptieren“. Anfang Januar werde die Belegschaft geschlossen nach Hannover fahren, um für ihre Arbeitsplätze zu demonstrieren: „Diese neoliberale Verweigerungshaltung“, sagt Alberts, „werden wir nicht hinnehmen.“

Im März hatte die Muttergesellschaft der Nordseewerke, die Siag Schaaf AG in Dernbach/Westerwald, Insolvenz angemeldet. Die Tochter in Emden musste am 17. Oktober ebenfalls Insolvenzantrag stellen: Die niedersächsische Landesbank Nord / LB wollte keine Kredite mehr gewähren, das Land keine weitere Bürgschaft übernehmen.

Die aufgelaufenen Verluste für Land und Bank liegen bei rund 70 Millionen Euro. Opposition und IG Metall werfen der schwarz-gelben Landesregierung vor, das Begräbnis des Werks in Kauf zu nehmen. Das Wirtschaftsministerium erklärte, es gebe „keine positive Fortführungsprognose für den Betrieb“.

Bislang ist die Arbeit in Emden nur bis Anfang des kommenden Jahres gesichert. Bis dahin sollen im Auftrag der Hamburger Firma Global Tech mindestens zehn Fundamente für Offshore-Windkraftanlagen gebaut werden. Für bis zu zehn weitere Tripod-Fundamente gibt es eine Option – das brächte dem Werk an der Ems Sicherheit bis weit in das Frühjahr.

Immerhin einen Hoffnungsschimmer gibt es bei der Suche nach einem neuen Investor: Ein Interessent habe ein Kaufangebot unterbreitet, sagte der Betriebsratsvorsitzende Erwin Heinks, ohne weitere Details zu nennen. Bisher hätten drei Investoren das Werk besichtigt, darunter auch Interessenten aus China, berichtet Gewerkschafter Alberts, zwei Termine stünden noch aus.

Die Forderung der IG Metall nach einer Transfergesellschaft für von Arbeitslosigkeit bedrohte Beschäftigte habe die Landesregierung abgelehnt, erklärte Alberts nach einem Verhandlungstermin im Wirtschaftsministerium. „Die Zeit drängt“, sagt er, „es muss jetzt um konkrete Unterstützung gehen.“

Im Vordergrund steht laut einem Ministeriumssprecher aber die Suche nach einem Investor. Sei der erst gefunden, stehe einer Transfergesellschaft nichts im Weg – ohne Investor jedoch gebe es Probleme mit dem Beihilferecht der EU.

Aus Sicht der Gewerkschaft gefährden Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) mit ihrer Untätigkeit die Arbeitsplätze in der Zukunftsbranche Offshore. Die Landesregierungen in Schwerin und Hamburg hingegen hätten bei den Insolvenzen der P+S-Werft in Stralsund und der Sietas-Werft in Hamburg die Bedeutung von Transfergesellschaften erkannt, sagt der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken: „Das erwarten wir auch von der Landesregierung in Hannover“, so Geiken.

Die Landtagsgrünen werfen Schwarz-Gelb vor, nicht nur das Unternehmen im Stich gelassen zu haben, sondern generell bei der Energiewende geschlafen zu haben: CDU und FDP in Hannover seien gegenüber ihren Parteifreunden in Berlin untätig gewesen, bemängelt der Grünen-Abgeordnete Enno Hagenah. Die Energiewende brauche „Akteure, die den Erfolg auch wirklich wollen“.

Vor allem dem liberalen Wirtschaftsminister Bode fehle aus ideologischen Gründen „der politische Wille zu einer positiven Entscheidung“, sagt der Emder Gewerkschafter Alberts. Der anstehenden Landtagswahl im Januar 2013 zum Trotz „ist da jede Gestaltungskraft Fehlanzeige“.

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1 Kommentar

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  • K
    krowang

    Ich wäre über mehr Hintergrund-Infos dankbar. Die, wenn auch sehr großen, Fundamente sind ja nur ein Teil. Da fehlen ja noch die Masten, die Turbinen und Flügel, die Flächen und die elektrische Anbindung. Das muss ja hergestellt bzw. genehmigt bzw. installiert werden und ist ja ein Gesamtwerk. Wie kann da auf die Fundamente verzichtet werden und was sagen die Investoren dazu?

    Soll die Firma pleite gehen und die noch vorhandene Masse, resp. die noch/schon vorhandenen Fundamente dann zum Schleuderpreis an die ehemaligen Besteller gehen? Ja, das ist Spekulation - deshalb ja auch meine Bitte um mehr Informationen.