Zukunft selbst gestalten: Die Welt erobern

Die Welt verbindet staatliche Repression und Terrorangst mit der Sotschi-Olympiade. Sportfan und Buchhändler Michail Faustov will dagegen etwas tun.

Manche sind der Meinung, mit einer verlorenen Olympiade könne man leben, Hauptsache, wir gewinnen das Eishockeyturnier. Ich kann nicht sagen, dass ich dieser These hundertprozentig zustimme, und doch bleibt für mich das Eishockeyturnier bei Olympia das Allerwichtigste. Ich wünsche mir sehr, dass die stärksten Spieler nach Sotschi kommen, sowohl die aus Europa als auch die aus der amerikanischen NHL, denn ohne sie verliert das ganze Vorhaben jeglichen Sinn.

Meine Wunschvorstellung wäre, dass das Olympische Eishockeyturnier früher oder später dazu führt, dass die beiden Eishockeyföderationen NHL und IIHF endlich ihren Zeitplan abstimmen und eine einheitliche Spielfeldgröße festlegen. Nur ein Ereignis von internationalem Rang wie die Olympischen Spiele kann diesen hundert Jahre alten Widerspruch auflösen.

Ruhende Kriegshandlungen

Gegenwärtig ist die Frage der Sicherheit bei Olympia in den Vordergrund gerückt. Ich möchte daran erinnern, dass in der Antike während der Zeit der Spiele die Kriegshandlungen ruhten. In der Neuzeit jedoch begannen die Menschen, auf dieses Prinzip zu pfeifen. Man braucht nur an die Tragödie von München zu erinnern oder an den 08.08.08 (Peking, Anm. d. Übers.). Ich möchte nicht über Politik reden, aber ich hoffe, dass es keinem niederträchtigen Kerl in den Sinn kommt, Menschen während des Sportereignisses umzubringen.

Geboren 1969, lebt seit 2002 in Nowosibirsk und eröffnete dort 2011 seinen eigenen Buchladen „Hundeherz”. Er veranstaltet seit 2013 den Vorlesewettbewerb „Mach den Mund auf!”.

In Russland kann man in der Kultur viel erreichen. Man muss allerdings zunächst einmal definieren, was man unter dem Wort "erreichen" versteht. Wenn man die materielle Komponente ausblendet, kann man mit Hilfe kultureller Programme und gesellschaftlicher Initiative die Welt erobern. Aber die materielle Komponente auszublenden, das zeigt die Praxis, gelingt nur selten.

Grenzenlos frei?

Ich weiß nicht, wie ich den Grad an Freiheit bestimmen soll, über den ich verfüge. Einigen Außenstehenden könnte es scheinen, dass ich ein grenzenlos freier Mensch bin, ohne Beschränkungen und Hemmnisse, aber in Wirklichkeit kommt es mir manchmal vor, als ob ich an Händen und Füßen gefesselt wäre. Ich habe mein Projekt, den Vorlesewettbewerb "Mach den Mund auf!", ohne besondere Ziele gestartet, jetzt allerdings habe ich ein Ziel: die Welt zu erobern (siehe oben).

Es ist wahrscheinlich mein Verdienst, dass sich 2013 im Rahmen des Projektes in Russland alle zehn Tage gute Menschen versammelt haben, die einander gute Bücher vorgelesen und aus dem Ganzen eine Art Show gemacht haben. Wenn von Zielen die Rede ist, so habe ich den ehrlichen Wunsch, dass sich diese Anzahl im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre verändert: aus zehn Tagen sollen zehn Stunden werden. Ich halte das nicht für unmöglich, es ist einfach mein nächstes Etappenziel.

Russland hat zwei Geheimnisse: seine Zukunft und die Vergangenheit. Ich möchte, dass die Menschen bei uns um eine Winzigkeit normaler werden als jetzt. Und ich versuche in dieser oder jener Form etwas dafür zu tun.

MICHAIL FAUSTOV