Zukunft des Deutschlandtickets: Durch Deutschland mit 9 Euro – unbezahlbar
Der Erfolg des Deutschlandtickets schmälert die Einnahmen der Verkehrsverbünde. Sie fordern eine gesicherte Finanzierung von der nächsten Regierung.
![Eine S-Bahn steht an einem Bahnhof. Die Türen sind geöffnet. Drinnen einige Menschen, aber es ist nicht überfüllt. Im Hintergrund blauer Abendhimmel und ein Riesenrad. Eine S-Bahn steht an einem Bahnhof. Die Türen sind geöffnet. Drinnen einige Menschen, aber es ist nicht überfüllt. Im Hintergrund blauer Abendhimmel und ein Riesenrad.](https://taz.de/picture/7523081/14/37644561-1.jpeg)
Doch das reicht nicht. Ausgerechnet der Erfolg des Tickets schmälert deren Einnahmen. 13,5 Millionen Kunden fahren derzeit mit dem Einheitsticket. Immer mehr Fahrgäste sind im vergangenen Jahr aus anderen Tarifen auf das Deutschlandticket umgestiegen. Die aus den anderen Tarifen resultierenden Einnahmen sind im vergangenen Jahr deshalb um mehr als 3 Milliarden Euro gesunken.
„94 Prozent der Nahverkehrsunternehmen arbeiten nicht wirtschaftlich“, beschreibt Info Wortmann, Präsident der Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Folgen. Da zugleich die Kosten, etwa für Personal und Energie, gestiegen sind, droht laut VDV in vielen Regionen eine Einschränkung des Nahverkehrsangebots.
An ein Ende des Einheitsfahrscheins glaubt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff jedoch nicht. „Das Deutschlandticket wird bleiben“, verspricht er. Doch wie die Zukunft aussieht, weiß auch er nicht. Die neue Bundesregierung müsse schnell Entscheidungen treffen, fordert der Verband, „es muss Planbarkeit geben“.
Außer Union wollen alle großen Parteien das Deutschlandticket weiterführen – aber zu verschiedenen Preisen
Eine Stellschraube ist der Preis des Tickets. Seit Jahresbeginn kostet es 58 Euro im Monat, 9 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Die überwiegende Mehrheit der Kunden hat die Anhebung nicht abgeschreckt. Die durchschnittliche Kündigungsquote ist Wortmann zufolge nur geringfügig angestiegen.
Kostendeckend kann das Angebot wohl kaum gestaltet werden. Wie teuer das Deutschlandticket werden kann, ohne dass die Fahrgäste aussteigen, müssen die Unternehmen noch ausloten. „Wir haben keine riesige Preiselastizität“, weiß Wolff. Allzu groß werden weitere Preissprünge demnach nicht ausfallen. Auch zusätzliche Abonnenten könnten einen Beitrag dazu leisten, die Einnahmeausfälle zu verringern. „Wenn irgendwo Musik drin ist, dann beim Jobticket“, sagt Wolff. Solange die Zukunft ungewiss ist, erwartet er aber keine weitere Verbreitung in den Betrieben.
Nun ist die nächste Bundesregierung gefragt. Sie muss die Rahmenbedingungen für die Weiterführung des Deutschlandtickets setzen. Am schwersten dürfte es für das Angebot im Falle einer unionsgeführten Bundesregierung werden. Die CSU ist von jeher kein Freund des Tickets, und auch CDU-Chef Friedrich Merz will sich auf eine Fortführung des Angebots nicht festlegen.
Dagegen bekennt sich die SPD dazu und will auch ein attraktives Preisniveau erhalten. Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter und setzen sich für eine Absenkung des Preises auf wieder 49 Euro ein. Die AfD will das Ticket ebenfalls beibehalten, aber zu einem „ehrlichen“ Preis. Über die Höhe sagt das Wahlprogramm nichts aus. Radikaler gibt sich die Linke. Die Partei will daraus ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket machen. Auch FDP und BSW stehen zum Einheitsfahrschein.
Die Branche selbst will das Angebot weiterentwickeln. So haben die einzelnen Verkehrsverbünde zum Beispiel immer noch unterschiedliche Zusatzleistungen in ihr Deutschlandticket eingebaut. Dazu gehören beispielsweise die kostenfreie Mitnahme von Fahrräder oder Kindern. Der VDV hätte lieber ein einheitliches Leistungsangebot. Für die weitere Finanzierung hat der Verband auch einen Vorschlag parat. Der Ticketpreis solle an einen Preisindex gekoppelt werden, der sich an der Kostenentwicklung bei den Unternehmen orientiert, schlägt Wortmann vor.
Reform des Trassenpreissystems gefordert
Die Verkehrsunternehmen plagen aber auch noch andere existenzielle Sorgen. Das betrifft die vom VDV vertretenen Güterbahnen. Auf sie kommen erhebliche Erhöhungen der Nutzungsgebühren für das Schienennetz zu. Das hängt mit der Entscheidung der Ampel zusammen, die Deutsche Bahn mit zusätzlichem Eigenkapital auszustatten. Diese Finanzspritze müssen die Nutzer der Trassen dem Bund über Gebühren hoch verzinsen. Das betrifft vor allem den Fern- und Güterverkehr.
Die Cargounternehmen befürchten, dass sie im Wettbewerb mit dem Lkw angesichts drastisch steigender Kosten nicht mehr mithalten können. Eine geplante Förderung der Trassenpreise als Ausgleich liegt seit dem Scheitern der Ampel auf Eis. Der VDV verlangt von der künftigen Regierung eine Reform des Trassenpreissystems.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Faktencheck zur Schuldenbremse
Wird nicht investiert, erben unsere Kinder eine Schrotthalde
Plagiatsvorwurf gegen Robert Habeck
Schneller als sein Jäger
TV-Duell zwischen Scholz und Merz
Feels like Groko
Sprachverbote auf Palästina-Demos
Deeskalation sieht anders aus
Rechtsextreme und Homosexualität
Who the fuck is Alice?
Falsche Argumente über Asylrecht
Die uralten Kamellen eines renommierten Historikers