Zukunft der Frauen-Bundesliga: Lohn der Kargheit
Existenzängste hat die Frauenbundesliga nicht. Aber die Probleme nehmen zu. Ein Abbruch der Saison ist immer noch eine Option.
Wie eine Villa sieht das Haus im Frankfurter Stadtteil Heddernheim aus. Im obersten Stockwerk ist Siegfried Dietrich mit seiner Agentur SIDI-Sportmanagement untergebracht – eine der wichtigsten Stellen im deutschen Frauenfußball. Dietrich, Manager und Investor beim 1. FFC Frankfurt, kümmert sich um seinen Klub, bei dem vergangen Woche der erste Infektionsfall der Liga auftrat. Eine Sorge mehr für Dietrich in diesen Tagen.
„Der Person geht es so weit gut“, versicherte nun Niko Arnautis. So sehr, fügt der FFC-Trainer hinzu, dass sie am liebsten Sport machen würde und man sie bremsen müsse. Weil die Ansteckung im persönlichen Umfeld stattgefunden hat, mussten Mannschaft, Trainer und Betreuer nicht getestet werden, doch die FFC-Fußballerinnen halten sich längst nur individuell fit, wie es im übrigen Fußball auch geschieht. Siegfried Dietrich sich keinen Illusionen hingegeben. „Mit der schnellen Verbreitung von Covid-19 war klar, dass auch der FFC früher oder später betroffen sein wurde.“
Der 62-jährige Dietrich muss sich in diesen Tagen nicht nur um seinen FFC kümmern. Er steht dem neuen DFB-Ausschuss Frauenbundesligen vor. Die vergangenen Tage hatte er ein Meinungsbild von den Vereinsvertretern eingeholt. Anfang dieser Woche, vielleicht schon am heutigen Montag, soll in einer Telefonkonferenz das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Es gilt als sicher, dass die Frauenbundesliga sich an den Männern orientiert und vor Mai keine Spiele plant.
Die wichtigste Erkenntnis aus Dietrichs Meinungsumfrage lautet: Existenzängste halten sich bislang in Grenzen. „Ich glaube, dass alle Klubs die Situation meistern können, weil die Zuschauereinnahmen nicht so entscheidend sind wie beispielsweise in der Dritten Liga und in den Regionalligen der Männer. In der Frauen-Bundesliga machen diese deutlich weniger als zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus“, sagt Dietrich.
Der Schnitt der Frauen-Bundesliga liegt bei rund 900. Bei Turbine Potsdam, die durchschnittlich 1.300 Fans im Karl-Liebknecht-Stadion begrüßt, decken die Eintrittsgelder gerade die laufenden Kosten eines Heimspiels, wie Präsident Rolf Kutzmutz erklärt. Für seine größte Säule im Etat garantieren die vielen regionalen Sponsoren.
Übung in Beischeidenheit
Bedrohlich könne es dann werden, sagt Kutzmutz, „wenn unsere Partner in solch wirtschaftlichen Schwierigkeiten geraten, dass sie sich das Engagement bei uns nach dem Sommer nicht mehr leisten können“. Auch Dietrich bestätigt, dass die Vermarktungserlöse – „die individuellen sowie die zentralen durch den DFB“ – die wichtigsten Einnahmesäulen der Klubs sind.
Hilfreich ist jetzt, dass der Frauenfußball sich in Bescheidenheit geübt hat. Selbst der Rekordmeister aus Frankfurt arbeitet nur mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro. Am wenigsten Sorgen hat die Hälfte der zwölf Frauenbundesligisten, die an Lizenzvereine der Männer angebunden sind: Bayer Leverkusen, 1. FC Köln oder SC Freiburg, TSG Hoffenheim, Bayern München und Meister VfL Wolfsburg werden jetzt an dieser Sparte kaum den Rotstift ansetzen. Zu fatal wäre solch ein Signal.
Ein Zeichen wollte die norwegische Nationalspielerin Ingrid Engen vom VfL Wolfsburg setzen, die 10 Prozent ihres Gehalts spendete, „um Menschen zu helfen, die in diesen Tagen wirklich finanzielle Unterstützung benötigen“. Das Thema ist heikel. Nicht mal ihre Teamgefährtin Alexandra Popp als Kapitänin der deutschen Nationalelf kann da folgen. „Respekt!“, sagt sie, „Allerdings sind wir Fußballerinnen auch keine Großverdiener. Ich helfe mit Taten, gehe zum Beispiel für unsere älteren Nachbarn einkaufen“, sagte die 28-Jährige dem Kicker.
Rolf Kutzmutz, Turbine Potsdam
Die Vereinsvertreter erteilen einem Gehaltsverzicht eine Absage. „Wenn unsere Spieler auf Gehalt verzichten, verzichten sie auf den Lebensunterhalt. Außer einer symbolischen Geste würde das gar nichts bringen“, betont Kutzmutz. Auch Dietrich beteuert: „Die Spielerinnen sind die Hauptakteurinnen, die jeden Cent verdient haben und auch für den Lebensunterhalt brauchen.“ Dietrich hat viele Spielerinnen so erfolgreich vermarktet, dass sie vom Fußball irgendwann gut leben konnten: Birgit Prinz, Nia Künzer oder Steffi Jones.
Doch inzwischen wechseln deutsche Topspielerinnen lieber nach Wolfsburg und München. Deshalb ist für den FFC die für den Sommer geplante Fusion mit Eintracht Frankfurt so wichtig, an der unverändert festgehalten wird. Die Pandemie könnte nur dazu führen, dass der einst aus der SG Praunheim hervorgegangene Frauenfußballverein bereits am 1. März das letzte Mal als 1. FFC Frankfurt gespielt hat.
Erste Stimmen ertönen nämlich in der Frauenbundesliga, dem Beispiel der Volleyball-Bundesliga oder Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu folgen und einen vorzeitigen Abbruch zu beschließen. Dietrich will der anstehenden Entscheidung nicht vorgreifen, sagt aber ganz klar: „Grundsätzlich wäre es wichtig, die Saison fertig zu spielen, um präsent zu sein und die sportlichen Entscheidungen herbeizuführen. Notfalls auch ohne Zuschauer.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!