Zugverkehr in Mainz: Besserung bei Bahn in Sicht
Verkehrsminister Ramsauer gibt der SPD eine Mitschuld an den Mainzer Bahnproblemen. Ab Montag soll sich der Zugverkehr wieder etwas normalisieren.
BERLIN taz | Die Verhältnisse am Mainzer Hauptbahnhof könnten sich ab Montag ein wenig verbessern – mehr aber nicht. Nach dem Ende der Sommerferien in Rheinland-Pfalz sollen dann noch 15 Prozent der Züge zwischen 6.00 und 20.00 Uhr ausfallen, kündigten Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und DB-Netz-Chef Frank Sennhenn am Dienstag nach einem Krisengipfel in Mainz an. An den Wochenenden soll wieder der Normalfahrplan gelten.
In der letzten Augustwoche wolle die Bahn zum Vollbetrieb zurückkehren, falls es nicht zusätzliche Krankmeldungen der Fahrdienstleiter gebe. „Es gibt Linderung“, sagte Dreyer. Sie zeigte sich aber nicht zufrieden. Am Mittwoch kommen Vertreter der Bahn und der Eisenbahnergewerkschaft EVG zusammen, um über die Personalprobleme zu beraten. Laut EVG fehlen bundesweit rund 1.000 Fahrdienstleiter; zudem haben sich beim bestehenden Personal mehrere Millionen Überstunden aufgehäuft.
Derzeit fallen am Bahnknotenpunkt Mainz etwa 30 bis 40 Prozent der Regionalzüge aus, Fernzüge werden umgeleitet. Ursache ist ein Personalengpass im dortigen Stellwerk, wo etwa die Hälfte der Fahrdienstleiter wegen Urlaub oder Krankheit fehlen. Fahrdienstleiter sind Spezialisten, die nicht einfach ersetzt werden können. Die Bahn kündigte bereits den Aufbau einer mobilen Reserve an, für die in den einzelnen Regionen solche Spezialisten gezielt ausgebildet werden sollen.
Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat nach den Mainzer Problemen den Druck auf die Bahn erhöht. Mit Bescheid vom Montag sei die Bahn angewiesen worden, „unverzüglich“ den uneingeschränkten Betrieb des Stellwerks Mainz wieder aufzunehmen, so eine Behördensprecherin. Nach dem Eisenbahngesetz sei die Bahn verpflichtet, ihre Infrastruktur in einem betriebssicheren Zustand für den Eisenbahnverkehr zu halten.
Steinbrück und Tiefensee
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat derweil der SPD Mitverantwortung an den Mainzer Problemen gegeben. Es seien SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als früherer Bundesfinanzminister und Wolfgang Tiefensee (SPD) als Exverkehrsminister gewesen, die „die Privatisierung der Bahn massiv vorangetrieben, das Unternehmen kostenmäßig ausgeblutet und so die Braut für den Börsengang geschmückt hätten“, sagte Ramsauer.
Das Personal bei der Bahn sei „sträflich heruntergefahren“ worden. Steinbrück habe den Börsengang „nur wegen des ungünstigen Marktumfeldes aufgrund der weltweiten Finanzkrise auf unbestimmte Zeit verschoben“, erklärte Ramsauer. Nach der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD bis 2009 habe die schwarz-gelbe Bundesregierung „die Scherben aufgekehrt und den Kurswechsel hin zu einer kundenorientierten Deutschen Bahn vollzogen“. Die Mitarbeiterzahlen seien wieder erhöht und Werkstätten wieder geöffnet worden.
Die Linksfraktion im Bundestag gab der Großen Koalition die Schuld am Mainzer Bahnchaos. „Sie hat die DB AG mit dem Börsengang auf Profit getrimmt – auf Kosten von Personal und Investitionen, hauptsächlich aber zu Lasten der Fahrgäste“, sagte Fraktionsvize Ulrich Maurer. Die Absage des geplanten Börsengangs habe an dem Schrumpfkurs nichts geändert. Die Bahn müsse stattdessen den Bürgern des Landes gehören und nutzen. Dass dies möglich und finanzierbar sei, beweise die Schweiz.
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