Züchter machen Druck: Bauern müssen teurer säen
Pflanzenzüchter und Bauern liegen im Clinch. Grund dafür sind die Gebühren für den Anbau von Saaten aus eigener Ernte.
BERLIN taz Wenn Landwirt Klaus Helbig in der Lüneburger Heide sein Feld bestellt, bekommt er ein paar Monate später Post von der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH. Die befragt den Bauern zu den Sorten, die er auf seinen Feldern gepflanzt hat. Dabei interessiert das Unternehmen vor allem eines: Ist das Saatgut frisch gekauft? Oder stammt es aus der Ernte des Vorjahres? Denn die Saatgut-Züchter verdienen an den gepflanzten Körnern mit - sogar wenn die Saat aus der eigenen Ernte des Bauern stammt.
Der Grund dafür ist, dass die Züchter Geld in die Entwicklung der Sorten stecken. 5 Millionen Euro nehmen die Pflanzenzüchter damit jährlich ein. Doch das System stößt bei vielen Bauern auf Widerstand. Denn auch wer zum Beispiel seit drei Jahren nur Saatgut aus eigener Ernte anbaut, muss an die Züchter zahlen. Helbig hat sich deshalb entschieden, nicht auf die Briefe zu antworten. "Das erscheint mir nicht richtig, hier hintenrum nochmal Geld verdienen zu wollen", sagt er.
Doch mit dieser Woche wird sich einiges ändern - wenn auch nicht unbedingt zu Gunsten der Bauern. Denn der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter hat eine Vereinbarung mit dem Bauernverband gekündigt, die vor allem eine Art Rabatt-System war: Wer viel neues Saatgut von den Züchtern anpflanzte, durfte das aus eigener Ernte billiger oder sogar kostenlos aussäen. Dazu gab es Rabatte für Bauern, die ausschließlich Saatgut vom Züchter verwendeten.
Damit ist es nun vorbei. Ab sofort gelten für alle Bauern die gesetzlichen Regelungen, die bisher nur für die Bauern griffen, die sich nicht an der Vereinbarung beteiligt hatten. Die gesetzliche Regelung stammt aus den 1990er-Jahren und geht auf eine Vorschrift der EU zurück. Die sieht vor, dass es überhaupt Gebühren für den Anbau aus eigener Ernte gibt und dass diese Gebühren geringer sein müssen als beim Anbau von Züchter-Saatgut. Halb so viel wie beim Anbau von Züchter-Saatgut müssen die Bauern dann zahlen, so sieht es die gesetzliche Regelung vor. "Wenn für Züchter-Saatgut im Schnitt 9 Euro Gebühren pro Hektar anfallen, sind das beim Anbau aus eigener Ernte immerhin noch 4,50 Euro pro Hektar", rechnet Jens Rademacher vom Deutschen Bauernverband vor. Dazu kommen die Kosten für die Aufbereitung des Saatguts. Trotzdem: Teurer wird es nun vor allem für die Bauern, die viel Saatgut vom Züchter anbauen und bisher von den Rabatten profitierten.
"Die Kündigung hat sich eigentlich schon seit ein paar Jahren abgezeichnet, weil die Einnahmen aus dem Anbau aus eigener Ernte dramatisch zurückgegangen sind", begründet Christina Goßmann vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter die Entscheidung. Die rückläufigen Einnahmen hätten die Entwicklungskosten für neue Sorten nicht mehr gedeckt. Mit der nächsten Saison erwartet die Saatgut-Treuhand nun einen Einnahmeschub: um 5 Millionen auf 10 Millionen Euro sollen die Einnahmen für die Züchter mit dem Wegfall der Rabatte steigen.
Für die Bauern ist das ein Anlass, das gesamte Gebührenmodell in Frage zu stellen. Im Herbst will sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit den Pflanzenzüchtern zu ersten Gesprächen zusammensetzen, um eventuell zu einer neuen Vereinbarung zu finden. Allerdings nicht mit allen, wie Georg Janßen, Geschäftsführer der AbL, sagt: "Die Züchter gehen schon wieder gerichtlich gegen zahlreiche Bauern vor, die ihre Auskunft über den Anbau aus eigener Ernte verweigert haben."
*Name von der Redaktion geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!