Zu langsam für die Berlinale: Melancholie, fick dich ins Knie
"Come Rain, Come Shine" zerbröselt eine Liebe (Wettbewerb) mit einer Detailverliebtheit und Langsamkeit, die dem Zuschauer schier unerträglich wird.
Eine Autofahrt zum Flughafen, ein Mann, eine Frau - ein verheiratetes Paar. Sie reden so vor sich hin, eher tonlos. Er macht Pläne zur Veränderung der Wohnsituation im gemeinsamen Haus. Da rückt sie mit der Sprache heraus: Die Pläne sind sinnlos, sie hat einen anderen Mann kennengelernt und wird ausziehen. Sie sagt es, er reagiert kaum. Kein Wutanfall, nicht einmal das Heben der Stimme. Das ist der Prolog von "Come Rain, Come Shine" ("Saranghanda, Saranghaji, Anneunda"), die Darlegung einer Ausgangssituation, aus der eine Fortgangssituation wird, in der nichts weiter Großes passiert.
Von da springt nach dem Vorspann der Film zwar ins Haus. Es wird aber die letzte größere Bewegung sein, die er macht. In einer Detailverliebtheit und Langsamkeit, die man gesehen haben muss, um sie glauben zu können, schleicht von nun an die Kamera um die beiden durch ihren sich auflösenden Hausstand ebenfalls schleichenden Protagonisten. Sorgfältig werden Untertassen verpackt, die Frau blättert - das ist sehr hübsch - durch das Post-it-gespickte Kochbuch, nach dessen Vorgaben sie in den fünf Jahren ihrer Ehe manche Pasta bereitet haben.
Draußen regnet es die ganze Zeit wie nichts Gutes. Es tropft sogar an einer undichten Stelle ins Haus. Erst vermerkt es, von der Kamera vermerkt, der Mann. Dann vermerkt es, von der Kamera vermerkt, die Frau. Das war's dann aber auch. Es gibt einen Dialog, in dem der Mann sein unfassbar passiv-defensives Verhalten erklärt: Aufregung ändert ohnehin nichts. Das eine oder andere über die beiden erfährt man im Lauf der Zeit, die der Film dem Stillstand mit äußerster Sanftheit abringt: Sie arbeitet in einem Verlag, er ist Architekt, verdient sein Geld jetzt aber mit eher kunstgewerblichen Sachen.
Come Rain, Come Shine, 18. 2., 9.30 Uhr, Friedrichstadtpalast; 22.30 Uhr, International; 22.30 Uhr, Urania; 20. 2., 18 Uhr, Berlinale-Palast.
Wenn man denkt, dass gar nichts weiter geschieht, sitzt plötzlich ein Kätzchen im Regen. Auch das Besitzerpaar taucht kurz auf, man plauscht belanglose Dinge. Erst gegen Ende klärt sich, warum Dieter "Kulinarisches Kino" Kosslick den Film in den Wettbewerb nahm. Mit der Geduld, die jeder gute Folterer von Zuschauernerven an den Tag legen muss, wird eine lecker aussehende Pasta bereitet. "Come Rain, Come Shine" ist koreanisches Slow Food. Der "Shine" kommt allerdings nie. Und vor meinem inneren Ohr wurde als Soundtrack zum Film der Refrain eines schönen Songs des Songwriters Gisbert zu Knyphausen immer lauter: "Melancholie, fick dich ins Knie, Melancholie".
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