ZWISCHENSTOPP : Zu haus in der Gegend
Es war komisch, nun in einer Ladenwohnung zu leben, in dieser eher unhippen Gegend von Kreuzberg, die ich so gut kannte. Im Ladenraum standen meine Sachen in den hochgestapelten Kartons. Die meiste Zeit saß ich im schmalen Nebenraum neben einem verhangenen Fenster vor dem Schreibtisch, schrieb oder guckte Internet.
Die Geräusche der vorbeifahrenden Autos störten mich nicht. Sie waren ein Zeichen von Lebendigkeit. Auch wenn es dann schön war, im stillen Hinterhofzimmer zu schlafen. Ich träumte schöne Sachen.
Von den hiesigen Menschen bekam ich nicht so viel mit. Man sah sich auf der Straße. Manche hatte ich schon öfter gesehen und ordnete sie bestimmten Häusern in der unmittelbaren Umgebung zu. Eine Frau, die im Eingang des Nebenhauses verschwand, hatte gelächelt. Der kleine Mann, Anfang 60, der vor der Ladenwohnung drei Nachmittage lang versuchte, das Eis wegzukriegen, war vermutlich der Hausmeister. Er war mir sympathisch, ich grüßte ihn höflich, und er grüßte höflich zurück. Erst wollte ich ihm erzählen, dass ich nur übergangsweise hier wäre; dass ich schon bald in eine Wohnung paar hundert Meter weiter, in einen anderen Mikrokiez, ziehen würde. Und tat es dann doch nicht.
Jeden Tag ging ich in den Edeka und kaufte Milch und Bier. Camel ohne gab’s hier nicht. Der Verkäufer sagte, er könne welche bestellen. Es war mir zu kompliziert, ihm zu erklären, dass ich in zwei Wochen schon wieder woanders einkaufen würde oder dass es in dem Späti gegenüber auch Camel ohne gab und ich eher aus dem Drang, meine täglichen Einkäufe gerecht in der Gegend zu verteilen, an diesem Morgen zu ihm gekommen war.
Ich fühlte mich heimisch. Kein einzelnes Haus eigentlich, sondern die Gegend war mein Zuhause. Und wenn ich mal Tageslicht brauchte, ging ich einfach hinaus. DETLEF KUHLBRODT