Zögerliche Konjuktur, steigende Arbeitslosigkeit: Deutsche Wirtschaft wankt aufwärts
Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich schneller aus der Rezession als erwartet. Obwohl das Schlimmste auf dem Arbeitsmarkt noch kommt, fordern Forscher spürbare Ausgabenkürzungen.
Die Konjunktur hellt sich auf: Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft in Deutschland nach dem größten Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik wieder um 1,2 Prozent zulegen. Das geht aus dem Herbstgutachten zur konjunkturellen Entwicklung hervor, das führende Wirtschaftsinstitute am Donnerstag vorstellten. Noch im April hatten die Wirtschaftsforscher im Auftrag der Bundesregierung ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaftsleistung im Jahr 2010 um 0,5 Prozent vorausgesagt.
Auch der Einbruch in diesem Jahr soll nicht so schlimm werden wie noch im Frühjahr befürchtet: Die neue Prognose revidiert ihn für 2009 von 6 Prozent auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
"Es geht aufwärts", sagte Koautor Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), das das Gutachten gemeinsam mit den Experten des Kieler IfW, des Münchner Ifo-Instituts, des IWH aus Halle, des IMK aus Düsseldorf sowie des Züricher KOF und der Wiener Institute Wifo und IHS erstellt hat.
Die Erholung werde aber nur "moderat" ausfallen. Keine Entwarnung gebe es nach wie vor für den Arbeitsmarkt, die Banken und die Staatshaushalte. Der Jobabbau werde sich in den kommenden Monaten beschleunigen. Die Zahl der Arbeitslosen von derzeit 3,35 Millionen könnte 2010 auf durchschnittlich 4,1 Millionen steigen und damit fast wieder die 10-Prozent-Schwelle erreichen. 2008 hatte die Quote noch bei 7,8 Prozent gelegen.
Die Banken hätten sich "noch nicht so weit stabilisiert, dass mit einer normalen Kreditvergabe gerechnet werden kann", heißt es in dem Gutachten. Weil den Geldinstituten noch Abschreibungen im großen Umfang bevorstünden, drohe weiter eine Kreditklemme. "Hierin besteht ein großes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr", so die Forscher.
Sie mahnen die Bundesregierung, das sprunghaft gestiegene Staatsdefizit zügig abzubauen. Dazu sei es nötig, "den Anstieg der Ausgaben insgesamt" zu begrenzen. Aufgrund der im Mai im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse müsse das strukturelle Defizit der öffentlichen Haushalte von zurzeit rund 3 Prozent bis 2016 beseitigt werden. Die Forscher fordern, jährlich 12 Milliarden Euro einzusparen.
Obwohl es im Gutachten offiziell kein abweichendes Votum der acht beteiligten Forschungsinstitute gibt, lehnen einige der Autoren die empfohlenen Ausgabenkürzungen jedoch ab. Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen IMK, erklärt der taz, sie entsprängen einer "bizarren Logik". "Ohne die Erhöhung des Staatsdefizits wäre die deutsche Wirtschaft deutlich tiefer abgestürzt." Ausgabenkürzungen halte das IMK erst dann für geboten, "wenn sich das Wachstum so weit stabilisiert hat, dass es selbsttragend ist", so Horn. Ein Minderheitenvotum konnte sein Institut aber dennoch nicht durchsetzen. Das IMK ist in einem Konsortium mit dem Wifo und dem IWH an dem Gutachten beteiligt. "Deshalb wäre die Zustimmung des Konsortialführers aus Halle nötig gewesen. Die fehlte uns aber", sagte Horn.
Einigkeit herrschte unter allen Instituten jedoch offenbar darüber, derzeit von Steuersenkungen abzuraten. Diese würden mittelfristig das Defizit der öffentlichen Haushalte vergrößern. "Der große Einbruch bei den gewinnabhängigen Steuern steht uns erst noch bevor", sagte RWI-Experte Döhrn. Zudem hätten Steuersenkungen im Rahmen der Konjunkturpakete der Bundesregierung bereits massive Einnahmelöcher verursacht, die sich bis zum Jahr 2013 auf Mindereinnahmen von 124,6 Milliarden Euro summieren.
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