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Zivilcourage im FußballPauschal abgestraft

Mainzer Fans stellten sich auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel gegen Neonazis. Nun verhängte der DFB Stadionverbote. Ein „Skandal“, meinen Fanvertreter.

Im Fall der Mainzer Fans, die sich den Neonnazis in den Weg stellten, wurde niemand der Beteiligten vom DFB befragt, bevor dieser die Strafe aussprach. Bild: dpa

Es sollte ein ausgelassener Fußballnachmittag werden, doch Ärger gab es bereits vor dem Spiel. Im November letzten Jahres machten sich rund 200 Anhänger des Bundesligisten Mainz 05 mit der Regionalbahn auf den Weg zum Auswärtsspiel beim 1. FC Köln. Unterwegs trafen sie am Bahnhof Remagen auf eine Gruppe Neonazis, die eine rechte Kundgebung besuchen wollte.

Sofort stürmten Mainzer Fans aus dem Zug und skandierten Parolen gegen rechts. Angeblich flogen auch Flaschen und andere Gegenstände. Die Polizei trennte die beiden Gruppen und nahm einen Mainzer vorübergehend in Gewahrsam. Die anschließenden polizeilichen Ermittlungsverfahren gegen drei Mainzer Fans nahm der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nun zum Anlass, zwei von ihnen für zwei Jahre aus deutschen Fußballarenen zu verbannen.

Dies wurde von Fanvertretern in den letzten Tagen heftig kritisiert: „Der DFB sollte die Stadionverbote zurücknehmen. Diese sind vor dem Hintergrund der immer wieder geforderten Zivilcourage geradezu skandalös“, so Patrick Gorschlüter, Sprecher des antirassistischen Bündnisses Aktiver Fußball-Fans (BAFF).

Er könne zwar nicht beurteilen, was genau am Bahnhof Remagen passiert sei, rügt aber die mangelnde Unterstützung des DFB für AntirassistInnen: „Initiativen gegen rechts werden vom DFB nicht ausreichend gefördert, sondern eher belächelt.“ Für ihn sind die Kampagnen des Verbandes gegen Rassismus deshalb „meist nur Lippenbekenntnisse“.

„Einzelfallbetrachtung“ gefordert

Gorschlüter fordert speziell beim Verhängen von Stadionverboten „Einzelfallbetrachtungen statt Pauschalstrafen“. Dafür sollten die Betroffenen angehört werden, bevor gegen sie Strafen verhängt werden. „Außerdem wäre es sinnvoll, auch Fanprojekte einzubeziehen, weil sie oft die Geschehnisse mitbekommen und die Fans kennen.“

Etliche Vereine, die aufgrund von Vorfällen, die sich im direkten Umfeld ihrer Stadien ereignen, selbst die Verbote aussprechen, handhaben dies bereits so. Anders der DFB, der Stadionverbote für Zwischenfälle ausspricht, die sich auf An- und Abreisewegen zu Fußballspielen ereignen – ohne die Betroffenen anzuhören.

Auch im Fall der Mainzer Fans wurde niemand der Beteiligten vom DFB befragt, bevor dieser die Strafe aussprach, wie Matthias Schöffel, der beim örtlichen Fanprojekt arbeitet, bestätigt. Der studierte Erziehungswissenschaftler fordert, dass die Vergabepraxis von Stadionverboten transparenter gestaltet wird, „indem die Betroffenen dazu angehört werden und nicht nur mit Verboten auf Vergehen reagiert wird“.

Schöffel war selbst an Bord des Zuges Richtung Köln und hat Kontakt zu einem der vom Stadionverbot betroffenen Fans. Dieser wolle aber aufgrund der gegen ihn laufenden polizeilichen Ermittlungen nicht über den Vorfall sprechen. Dass die Mainzer Fans noch nicht rechtskräftig verurteilt sind, schreckte den DFB nicht davon ab, Stadionverbote zu verhängen.

Keine Unschuldsvermutung

Für den Fußballbund reicht es meist aus, wenn er von der Polizei über ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren informiert wird – unabhängig von dessen Ausgang und vom (politischen) Kontext der Geschehnisse.

„Beim DFB gibt es leider keine Unschuldsvermutung. Manchmal werden Stadionverbote sogar aufrecht erhalten, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt wurden“, sagt der Fansoziologe Gerd Dembowski. BAFF-Vertreter Gorschlüter kritisiert, dass so „in vielen Fällen gegen Unschuldige ein Stadionverbot ausgesprochen wird“.

Er nennt etwa den Fall von Bremer Fans, die vor drei Jahren auf der Heimfahrt von einem Auswärtsspiel mit mutmaßlich rechts gesinnten Bundeswehrsoldaten aneinandergerieten, von denen laut Gorschlüter die Aggressionen ausging. Trotzdem reagierte der DFB mit Stadionverboten gegen die Bremer Anhänger.

Gewalt aus Stadien ausgelagert

Fanvertreter kritisieren aus diesen Gründen schon lange die aus ihrer Sicht restriktive Praxis der Stadionverbote. Dadurch würde die Gewalt aus den Stadien ausgelagert und unkontrollierbar gemacht, bemängelt Gorschlüter. „Besonders bei jüngeren Fans ist diese Strafe pädagogisch nicht wertvoll“, meint er.

Sie würden ausgeschlossen und bestraft, anstatt dass man sich um ihre Probleme kümmere. „Der DFB müsste mehr in Präventionsarbeit investieren und Stadionverbote in unklaren Fällen zur Bewährung aussetzen.“ Der Deutsche Fußball-Bund selbst wollte auf Anfrage der taz „zu den genannten Einzelfällen“ allerdings „keine Stellungnahme“ abgeben.

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8 Kommentare

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  • F
    fala

    Bestrafung für aktives Eingreifen gegen rechte Idioten??! Das ist ein Skandal! Wer sitzt denn da in den DFB Ämtern? Was sind das für Leute, die spieltäglich Stadionverbote verhängen oder absegnen? Wenn das so weiter geht, ist der Fußball irgendwann tot, und dann hat der DFB das zu 100 Prozent zu verantworten!

  • R
    Rainer

    Die Hauptschuld bzw. den Ursprung dieses Dilemmas beim DFB zu suchen, erachte ich in diesem Fall als unangebracht. Die SV-Richtlinien des DFB regeln ganz klar, dass SVs nicht nur bei Straftaten (bzw. schon bei eingeleiteten Ermittlungsverfahren - aber das ist dann wieder ein Thema für sich) innerhalb eines Stadions oder im direkten Umfeld erfolgen, sondern auch auf den An- bzw. Abreisewegen. Und das ist hier nunmal der Fall. Und da spielt es dann auch keine Rolle, ob das Vergehen der Mainzer Anhänger darin bestand, dass sie sich mit anderen Fans geprügelt, im Zug randaliert oder (wie offenbar in dem vorliegenden Fall) Dritte in ihrer Freizügigkeit behindert und genötigt haben. Streng (!) genommen sind die SVs da nur die logische Konsequenz.

     

    Dass nun einige versuchen, den schwarzen Peter an den DFB weiter- und damit die Verantwortung für ihr eigenes Handeln abzugeben, ist doch wohl ein schlechter Witz. Auch wenn der DFB ständig durch vielfältigste Aktionen zu mehr Toleranz aufruft und Rassismus und Diskriminierungen aller Art anprangert, heißt das doch noch lange nicht, dass er damit auch gleichzeitig Aktionen wie die der Mainzer bzw. Straftaten gut heißt oder sogar dazu auffordert. Das wäre ja auch noch schöner. Stichwort: Geistige Brandstifter.

     

    "Gesicht zeigen" und "Zivilcourage" sind nunmal nicht gleichbedeutend mit Sebstjustiz und rechtswidrigem Handeln.

  • T
    Thomas

    DEr DFB ist auch nur noch ein großer Konzern, wer den Leuten noch hinterher rennt dem sollte geholfen werden.

     

    Super DFB, S... H..., das sind doch eure Parolen, wieder mal ein Tiefschlag gegen eine frei Welt und ein eher mieser Punkt für den Kommerz.

     

    In diesem Land werden nur noch die falschen bestraft.

     

    Scheiß DFB, Scheiß Nationalmanschaft

  • WH
    Wolfgang H.

    Flaschenwerfer gehören nicht ins Stadion. Egal, ob sie gegen Rechte , Linke, Schwarze oder Weiße geworfen werden.

     

    Falls diese Herren dass gerne weiterhin möchten, können Sie das vor dem heimischen Fernseher machen.

  • SF
    Stadionverbot für rechte UND linke Spinner

    Flaschen schmeissen wird bei dem Obergesinnungspolizisten Patrick Gorschlüter unter der Rubrik "Zivilcourage" abgelegt. Interessant. Man kann diesem Herrn nur wünschen, dass er nicht selbst mal in den Genuss eines Flaschenhagels kommt.

  • N
    Neon

    Menschen, die Flaschen auf andere Menschen werfen, gehören für mich nicht in Fußballstadion, da ist mir scheißegal, wie die politisch drauf sind.

    In diesem Punkt kann ich den DFB verstehen, der halt generell keine Krawalle haben will, egal woher die kommen.

    Die Diskussion, wie der DFB gegen Rassismus vorgeht, ist eine GANZ ANDERE und ich finds extrem schwach und sehr manipulativ von allen hier beteiligten, diese zwei Dinge in einen Kontext zu stellen. Macht euch da doch auch mal Gedanken drüber, anstatt das ganze als Angriff gegen den Antirassismus zu sehen, denn das ist nicht die Essenz dieser Urteils. Ich kann verstehen, dass hier Emotionen im Spiel sind, weil Nazis echt scheiße sind, aber trotzdem muss auch der linke Fußballfan und taz-redakteur nachdenken, bevor er Anschuldigungen ausspricht.

  • U
    Unfassbar

    Kein Wunder, dass viele junge Leute den Glauben an den Rechtsstaat verlieren, wenn sogar erwiesenermaßen Unschuldige Ersatzstrafen vom DFB erhalten. Und diese Strafen sind für die meisten sogar schlimmer als eine Verurteilung vor Gericht.

    Der DFB muss sich über Einzelfallprüfungen und Stadionverbote auf Bewährung Gedanken machen.

  • V
    viccy

    Wenn ich bei jemandem zu Besuch bin und mir passt das Gesicht eines anderes Gastes oder seine Gesinnung nicht, dann muss ich mir trotzdem überlegen, ob ich aus Rücksicht auf den Gastgeber nicht lieber den Mund halte.

     

    Oder ich darf mich nicht beschweren, wenn der Gastgeber mich dann rauswirft.

     

    By the way: Hat man schon mal jemanden mit Flaschenwürfen - zum Positiven - verändert?