Zeugnisse: Punkte statt Noten
Schülerleistungen sollen künftig in 90-Punkte-Skala bewertet werden. Für alte Noten soll es eine Umrechnungstabelle geben. Kritiker finden das System unübersichtlich.
Neue Aufregung in der Schulpolitik: Per Indiskretion wurde der Entwurf einer neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung dem "Wir wollen lernen"-Sprecher Walter Scheuerl zugespielt, der sie an die Medien weitergab. Bild sprach daraufhin von einem "Irren Zeugnis-Plan": Ein "völlig verrücktes Punkte-System" solle die Zensuren ersetzen, hieß es dort.
Tatsächlich handelt es sich bloß um eine abgewandelte Variante des seit über 30 Jahren an Gesamtschulen üblichen Notensystems. Dort gibt es wegen der größeren Leistungsspanne nicht sechs, sondern neun Noten-Stufen, die so genannten A- und B-Noten. Sie reichen von der Note B 1 bis zur Note A 6. Die neue Skala von 90 Punkten übernimmt die Grundstruktur dieser Aufteilung.
Anlass für das neue Modell ist der Start der politisch umstrittenen Stadtteilschule. "Wir haben an dieser Schulform das gesamte Leistungsspektrum, und das muss abgebildet werden", erklärt Schulbehördensprecherin Brigitte Köhnlein. Das alte A- und B-System habe zu vielen Missverständnissen geführt. Das neue System sei "sehr viel feiner und bildet auch schon kleine Lernfortschritte ab", sagt Köhnlein. Auch wolle man auf bewertende Beschreibungen wie "sehr gut" und "ungenügend" verzichten.
Die 90-Punkte-Skala wird je nach angestrebten Schulabschluss anders in Noten umgerechnet.
Erster allgemeinbildender Schulabschluss: Hier entsprechen 90 bis 51 Punkte der Note 1, 50 bis 41 Punkte Note 2, 40 bis 31 Punkte Note 3, 30 bis 21 Punkte Note 4, 20 bis 11 Punkte Note 5 und 10 bis 0 Punkte einer Note 6.
Mittlerer Schulabschluss: Hier entsprechen 90 bis 71 Punkte der Note 1, 70 bis 61 Punkte Note 2, 60 bis 51 Punkte Note 3, 50 bis 41 Punkte Note 4, 40 bis 21 Punkte Note 5 und 20 bis 0 Punkte einer Note 6.
Hochschulreife: Hier entsprechen 90 bis 81 Punkte der Note 1, 80 bis 71 Punkte Note 2, 70 bis 61 Punkte Note 3, 60 bis 51 Punkte Note 4, 50 bis 41 Punkte Note 5 und 40 bis 0 Punkte einer Note 6.
Bei jedem Zeugnis erleichtert zudem eine Tabelle die Umrechnung in die gewohnten Ziffernnoten. Je nach angestrebtem Schulabschluss ergibt ein und dieselbe Punktzahl allerdings verschiedene Noten. 41 Punkte bedeuten zum Beispiel für den Hauptschulabschluss die Note 2, für den mittleren Bildungsabschluss die Note 4 und für die Hochschulreife eine 5. An den Primarschulen gibt es bis zur dritten Klasse keine Noten. Vom vierten Schuljahr an gilt das 90-Punkte-System, dass aber noch in die herkömmlichen sechs Noten umgerechnet wird.
Scheuerl kritisiert, dass das Punktesystem "unübersichtlich" und "alles andere als leicht verständlich" sei. Allerdings zieht seine Volksinitiative nicht gegen die Stadtteilschule zu Felde. Scheuerl bestreitet auch nicht die Notwendigkeit eines passenden Notensystems.
Der Elternkammer-Vorsitzende Peter Albrecht ist aus anderen Gründen enttäuscht von der Vorlage. "Ein neues Punktesystem allein ist noch kein Gewinn", sagt er. Sinnvoll wäre die Verbindung mit Kompetenzrastern, die Schülern transparent machten, welche Lernschritte sie schon erreicht hätten und welche noch vor ihnen lägen. "Das eine macht ohne das andere keinen Sinn", sagt Albrecht.
So weit sind die Schulen aber noch nicht. Zur Erprobung neuer Formen der Kompetenzmessung läuft seit 2008 an 50 Schulen ein Versuch, der auf fünf Jahre angelegt ist. Sicher ist laut Entwurf bislang nur, dass in der sechsten Klasse in den Fächern Deutsch, Mathe, Englisch und Natur-und-Technik Kompetenzfeststellungsverfahren durchgeführt werden sollen, um das Lehrerurteil zu objektivieren. Von ihnen hängt wiederum die Notenschwelle ab, die für eine Gymnasialempfehlung zwischen 2,6 und 2,3 liegt.
Allerdings können Schüler auch ohne diese Empfehlung in die siebte Klasse des Gymnasiums wechseln. Hier müssen sie dann am Ende des Jahres in den Fächern Deutsch, Mathe sowie in einer Fremdsprache und einer Naturwissenschaft mindestens 51 Punkte erzielen, um bleiben zu können. Das entspricht der Note 4 auf dem Gymnasium. Diese genügte auch bisher, um Gymnasiast bleiben zu können.
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