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Zentralbankchef des Libanon vor GerichtAnklage wegen Bereicherung

Seit fast 30 Jahren steht Riad Salameh an der Spitze von Libanons Zentralbank. Jetzt ist ihm die Justiz auf den Fersen, auch in der EU.

Protest mit Maske des Zentralbankchefs Salameh gegen Korruption Foto: Joseph Eid/afp

Beirut taz | Nachdem er nicht zu einem Gerichtstermin erschienen war, verschanzte sich Libanons Zentralbankchef Riad Salameh in seinem Büro. Sicherheitskräfte fahndeten nach ihm. Die Richterin belegte ihn mit einem Reiseverbot, sein Bruder wurde inhaftiert und die Mutter seines Kindes angeklagt.

Salameh ist im Libanon wegen unerlaubter Bereicherung angeklagt. Der Mann, der für die finanzielle Stabilität des Landes verantwortlich ist, soll sich am Bankenwesen bereichert haben. Auch in Europa ist ihm die Justiz auf den Fersen, wirft ihm Geldwäsche vor. Gerade haben europäische Behörden Vermögenswerte in Höhe von 120 Millionen Euro beschlagnahmt, wie das EU-Justizamt Eurojust angibt. In Deutschland sind Werte von insgesamt 35 Millionen Euro beschlagnahmt, darunter eine Immobilie in Hamburg, zwei in München und Anteile an einer Immobiliengesellschaft in Düsseldorf.

Mithilfe von Offshore-Unternehmen soll Salameh Zahlungen der libanesischen Zentralbank abgegriffen haben. Seine Familie soll geholfen haben, den Transfer zu verschleiern: Sein Bruder, sein Sohn, sein Schwiegersohn und die Mutter seiner (außerehelichen) Tochter führen alle Firmen in seinem Namen. So zahlte die libanesische Zentralbank zwischen 2002 und 2014 angeblich Maklergebühren in Höhe von mehr als 330 Millionen US-Dollar an Forry Associates. Das Unternehmen ist auf den Jungferninseln registriert, der Eigentümer ist Salamehs Bruder Raja Salameh. Das Geld lief über Schweizer Konten, die Schweizer Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Geldwäsche und Veruntreuung.

Offshore-Unternehmen im Besitz Salamehs sollen in den letzten Jahren rund Hunderte Millionen US-Dollar in ausländische Vermögenswerte investiert haben. Das Geld, das wohl der Zentralbank entzogen wurde, floss über europäische Konten in Immobilien nach Großbritannien, Frankreich und auch nach Deutschland. Das deckten Jour­na­lis­t*in­nen des internationalen Recherche-Netzwerks Organized Crime and Corruption Reporting Project auf. In Frankreich läuft ein Strafverfahren aufgrund von Geldwäsche und Unterschlagung. Wie die Schweizer Zeitung Le Temps berichtet, soll Salameh Immobilien im Wert von 10 Millionen US-Dollar in Frankreich gekauft haben. Auch in Luxemburg und Liechtenstein laufen Ermittlungen. Salameh selbst spricht von einem „normalen Verfahren“, es gehe nicht um einen Rechtsstreit. Als die Nachrichtenagentur Reuters ihn nach seinen Verbindungen zu den eingefrorenen Vermögenswerten fragte, schrieb Salameh, er sei sich deren nicht bewusst und werde dies überprüfen. Der gelernte Ökonom gibt öffentlich an, sein Vermögen stamme aus der Zeit zwischen 1973 und 1993, als er Berater und Direktor bei der Bank Merrill Lynch war.

Geschäfte in Deutschland

In Deutschland sind die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bundeskriminalamt an der Untersuchung beteiligt. Salamehs Geld steckt in einem Düsseldorfer Bürogebäude, das über die Firma Dock13 Villa gekauft wurde, zuvor als Blue Rainbow 287 Vermögensverwaltung beim Amtsgericht München eingetragen. Außerdem ist er in Verbindung mit den Unternehmen WBH 51 und H-Invest in Hamburg. Die leitete zeitweilig der Sohn, Nadi Salameh. Die Hamburger sowie die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft konnten auf Anfrage der taz in ihren Datenbanken keine Verfahren gegen Salameh finden.

Seit fast drei Jahrzehnten steht der 71-jährige Salameh an der Spitze von Libanons Zentralbank. Er gilt als Architekt des Finanzsystems, das nach dem Krieg (1975–1990) florierte, aber 2019 zusammenbrach. An­le­ge­r*in­nen wurden zweistellige Zinserträge gezahlt, Privatbanken verliehen das Geld gegen höhere Gebühren an die Zentralbank – die wiederum gab es dem Staat. Statt in Infrastrukturprojekte zu fließen, versackte das Geld in korrupten Taschen eines klientelistischen Systems.

Das staatlich geregelte Schneeballsystem lieh neues Geld, um bestehende Gläubiger zu bezahlen. Vor allem die Diaspora legte im Libanon an; gläserne Hochhäuser in Downtown Beirut waren beliebte Anlagen der Saudis. Das funktionierte, bis das frische Geld ausging. Mit dem Krieg in Syrien verlangsamten sich die Überweisungen. Die reichen Golfstaaten wandten sich ab, weil Iran mithilfe der schiitischen Hisbollah an Macht gewann. Der Libanon zahlte seine Schulden nicht, und auch europäischen Staaten wurde klar: Ohne Reformen versackt geliehenes Geld. Nun ist der Staat pleite. Es fehlen Devisen in der Staatskasse, innerhalb von zwei Jahren hat die Lira 82 Prozent ihrer Kaufkraft verloren. Hunderttausende verloren ihre Jobs. Und mittendrin in alldem: Riad Salameh.

Rückhalt ganz oben

Die libanesischen Justizbehörden versuchen, ihm die Veruntreuung öffentlicher Gelder, unerlaubte Bereicherung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung nachzuweisen. Doch die Untersuchung wird systematisch behindert. Eine Razzia bei fünf Banken, die Konten des Bruders Raja Salameh führen, wurde in letzter Minute ausgesetzt. Als der stellvertretende Staatsanwalt am höchsten Strafgericht die Kontoauszüge bei einer Bank prüfen wollte, wurde ihm mitgeteilt, der Durchsuchungsbefehl sei ausgesetzt. Die Razzia einzustellen entschied sein Vorgesetzter Ghassan Oueidat. Der Chefankläger des Landes ist Sunnit und steht dem Lager rund um die mächtige Politiker- und Unternehmerdynastie Hariri nahe. Die wiederum stützt Salameh.

Im Libanon ist es üblich, dass hochrangige Richter politische Verbindungen haben – oder von anderen Lagern behindert werden. So wie in dem Fall des Untersuchungsrichters, der die gewaltige Explosion im Hafen im Jahr 2020 aufklären soll. Er wird durch Klagen der schiitischen Hisbollah an seiner Arbeit gehindert. Salameh genießt Rückhalt von ganz oben: Der sunnitische Ministerpräsident Najib Mikati sagte im Dezember, Salameh solle vorerst im Amt bleiben. „Man wechselt seine Offiziere nicht während eines Krieges“, sagte Mikati.

Währenddessen haben viele Bür­ge­r*in­nen verstanden, dass Salameh für das korrupte System steht. „Riad Salameh ist ein Dieb“ und „Nieder mit den Banken“ liest man auf Protestschildern und Graffiti rund um das Zentralbankgebäude in Beirut.

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