Zentralafrikanische Republik: Der unsichtbare Joseph Kony
Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik sagt, dass der gesuchte ugandische Milizenführer Joseph Kony mit ihr verhandelt. Sie lässt sich dabei von M23-Rebellen beraten.
KAMPALA taz | US-Drohnen und ugandische Spezialeinheiten jagen ihn seit Jahren. Die USA haben fünf Millionen Dollar Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Ein Video über ihn war 2012 der Hit auf YouTube. Filmemacher suchen ihn im Dschungel, der Internationale Strafgerichtshof sucht ihn mit Haftbefehl und Menschenrechtler verteilen Trillerpfeifen, um auf Afrikas mutmaßlich schlimmsten Bösewicht aufmerksam zu machen.
Joseph Kony, Führer der ugandischen Miliz LRA (Widerstandsarmee des Herrn), die als die brutalste Rebellengruppe Afrikas gilt. Für 100.000 Tote soll die LRA laut UNO in ihren zwanzig Jahren Krieg im Norden Ugandas verantwortlich sein, Tausende Kinder hat sie entführt.
Seit Kony 2006 ein Friedensabkommen mit Ugandas Regierung platzen ließ und in Richtung Kongo und Zentralafrikanische Republik verschwand, scheint er wie vom Erdboden verschluckt. Bis vergangene Woche die Regierung der Zentralafrikanischen Republik erklärte, sie befinde sich in Verhandlungen mit Kony, der sich ergeben wolle.
In der Zentralafrikanischen Republik herrschen ebenfalls Rebellen – die „Séléka“ (Allianz), die sich im März an die Macht kämpfte. Séléka-Anführer und Staatschef Michel Djotodia sagte, er habe einen Brief von Kony erhalten. Auf Twitter und Facebook jubeln bereits Menschenrechtler weltweit. Doch Vorsicht ist geboten.
Nur indirekter Kontakt
LRA-Experte Paul Ronan, Mitbegründer der US-Aktivistengruppe „Resolve“, erläutert, was seinen Recherchen zufolge tatsächlich geschehen ist. Eine kleine Gruppe angeblicher LRA-Kämpfer habe im August nahe Nzako im Südosten der Zentralafrikanischen Republik eine Botschaft an Djotodia versandt. Dieser schickte einen Abgesandten nach Nzako. Lokale Gemeindevorsteher wurden in den Busch entsandt und überreichten den LRA-Kämpfern Lebensmittel, Zeltplanen und Ziegen.
Eine direkte Kommunikation mit der LRA-Führung oder gar mit Kony selbst kam nie zustande, so Ronan. Kein einziger LRA-Kämpfer sei je aufgetaucht, um sich zu ergeben. Derweil schickte die Bevölkerung immer mehr Lebensmittel in den Busch. Auch aus Angst. Die LRA hat in den vergangenen Jahren in der diamantenreichen Region um Nzako brutale Massaker verübt.
In den vergangenen Monaten ist die LRA unter Druck geraten. Ugandas Truppen führten Operationen gegen LRA-Camps im Kongo und Südsudan. Ein Versteck der LRA-Kommandeure in Kafia Kingi in der sudanesischen Region Darfur wurde ausgehoben. Dort soll sich auch Kony aufgehalten haben.
Altbekanntes Muster
Bereits während der Verhandlungen zwischen der LRA und Ugandas Regierung 2006 wurde das Muster ersichtlich: Sobald es den Kommandeuren an den Kragen geht, winken sie mit der weißen Fahne und geben sich verhandlungswillig – unter zwei Bedingungen: Lebensmittellieferungen und die Einstellung der Militäroperationen. Dann platzen die Gespräche und die LRA zieht gestärkt in die nächste Kriegsrunde.
Unmittelbar nützen die Gerüchte um Kony dem zentralafrikanischen Präsidenten Djotodia. Sein Image und das der Séléka ist am Boden, sein Land versinkt derzeit im Chaos, das Wort „Genozid“ macht die Runde. Djotodia braucht dringend internationale Anerkennung. So winkt er jetzt mit der Trumpfkarte Kony, ganz nach dem Motto: Wer den Teufel ausliefert, erscheint selbst wie ein Engel.
M23 berät Seleka-Regierung in Bangui
Den Rat dafür hat er nach taz-Recherchen von Rebellenkollegen aus dem Kongo erhalten: von der M23 (Bewegung des 23. März). Die Führungen von Séléka und M23 stehen seit ihrem jeweiligen Entstehen im Jahr 2012 im engen Kontakt. M23-Kreise bestätigen, sie hätten die Séléka beraten, wie man die Disziplin in der Truppe verbessert und mit Imageproblemen umgeht.
Was Séléka mit dem Ugander Kony vorhat, wollte die M23 im März mit ihrem eigenen Warlord Bosco Ntaganda machen: ihn nach Den Haag ausliefern, um selbst gut dazustehen. Ntaganda stellte sich schließlich freiwillig der US-Botschaft in Ruanda, die ihn nach Den Haag überführte. Und Kony?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag