Zeitgeschichte: Umstrittener Straßenname
Eine Straße in Hammerbrook wird „Vera-Brittain-Ufer“ getauft. Die britische Pazifistin war unzweifelhaft integer, ist jedoch auch revanchistisch missdeutbar.
Vera Brittain war eine aufrechte Person. Die 1970 verstorbene Britin war eine Feministin und Pazifistin, die sich 1944 bei den Alliierten unbeliebt machte, indem sie das Flächenbombardement deutscher Städte anprangerte – auch den Hamburger „Feuersturm“. Und das, obwohl Deutschland das britische Coventry schwer zerstört hatte.
Nach Vera Brittain also soll am 28. Juni eine Promenade in Hammerbrook benannt werden, und die Integrität der Friedensaktivistin, deren Tochter eigens anreist, ist evident. Ambivalent ist der Vorgang trotzdem, denn initiiert hat ihn der Jurist Gerfried Horst, der lange in Hamburg lebte. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft „Freunde Kants und Königsberg e.V.“ und hat das Buch „Generalprobe für die Hölle – Wahrheit über die Zerstörung Königsbergs“ verfasst.
Sein Interesse gilt dabei nicht den sowjetischen Luftangriffen auf die Stadt, sondern den britischen. Auch für den Hamburger „Feuersturm“ waren Briten verantwortlich, und so begründet Horst seinen Benennungsantrag vor allem mit dem Protest Brittains gegen deren Flächenbombardement.
Als "Feuersturm" werden die Luftangriffe von Briten und Amerikanern vom 25. 7. bis 3. 8. 1943 auf Hamburg bezeichnet.
Der Codename "Operation Gomorrha" basiert auf einer Geschichte der Bibel, in der Städte durch Feuer und Schwefelregen vernichtet wurden.
Eingesetzt wurden Spreng-, Phosphor- und Stabbrandbomben, die Flächenbrände erzeugten, die 34.000 Tote forderten.
Betroffen waren Arbeiterviertel wie Hamm, Billbrook, Rothenburgsort und Hammerbrook.
Mit dieser Argumentation stehe Horst in einer Tradition revanchistischen Gedenkens, das britische Kriegskritiker heranziehe, um Deutschland als Opfer des Krieges zu zeichnen, sagt Historiker Malte Thiessen von der Uni Oldenburg, der den Band „Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende“ herausgegeben hat.
Die Stadt Hamburg ahnte davon wenig und nachdem das Staatsarchiv zunächst wegen Formalia abgelehnt hatte, votierte die Bezirksversammlung dann geschlossen für den Antrag.
„Das Problem bei Straßenbenennungen ist aber selten der Name, sondern der Kontext und die Initiative dahinter“, sagt Thiessen. Beides prüfte das Bezirksamt nur rudimentär: „Ich habe Herrn Horst angerufen und hatte einen guten Eindruck“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. „Er war betrübt, weil man ihn in die rechte Ecke stellte.“
Auch im Gespräch mit der taz sagt Horst, er sei entsetzt über einen Artikel in der Preußischen Allgemeinen Zeitung, der seine Initiative lobt, weil Brittain „gegen den Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung protestierte“. Er habe sich beim Verfasser beschwert, die Sache dann aber auf sich beruhen lassen, sagt Horst.
Bleibt die Frage, ob man eines so komplexen Vorgangs wie des Feuersturms, der einerseits zur Niederringung des NS-Regimes gedacht war, wegen seiner Brutalität aber selbst im britischen Unterhaus umstritten war, durch einen Straßennamen gerecht wird. „Hier ist ein multiperspektivisches Gedenken vonnöten“, sagt Thiessen. Individuelles Leid habe seine Berechtigung, werde beim öffentlichen Gedenken aber als zu kurz greifend empfunden.
Auch Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, hält es für zwingend, Kontext und Kausalkette mit zu berücksichtigen. „Das Museum im Mahnmal St. Nikolai stellt das unmissverständlich dar; im Unterschied zu der Straßenbenennung und ihrer Begründung ist hier eine Instrumentalisierung zur Schuldverlagerung nicht möglich.“
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