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Zehntausende vom Staat entführtChinas geheime Verliese

Chinesische Behörden sperren Bittsteller in provisorische Gefängnisse, damit sie sich nicht bei höheren Stellen beschweren können. Dort werden sie misshandelt, berichtet Human Rights Watch.

Verschwunden im Häuserblock: Ehemaliges illegales Gefängnis in Beijing, wo eine gefangene 20jährige vergewaltigt worden sein soll. Bild: ap

HONGKONG taz | Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch klagt in einem am Donnerstag in Hongkong veröffentlichen Bericht die Praxis chinesischer Lokal- und Provinzbehörden an, lästige Bittsteller in so genannten "schwarzen" Gefängnissen einzusperren. Damit solle verhindert werden, dass diese Menschen sich bei höheren Regierungsstellen beschweren. Denn die Petitionen, mit denen gegen empfundenes Unrecht protestiert wird, können die Karrierechancen betroffener Kader beeinträchtigen.

Der Bericht "Ein Gang durch die Hölle" listet Beispiele von Bittstellern auf, die von Beamten oder ihren Handlangern entführt und über Wochen bis Monate in Hotels, Heimen, psychiatrischen Anstalten oder Privathäusern eingesperrt wurden.

Dabei kommt es laut der Menschenrechtsorganisation, die ihren Bericht auf Interviews mit 38 Opfern stützt, zu Misshandlungen. Opfer würden bedroht, erpresst und bestohlen. Ihnen würde medizinische Versorgung wie ausreichende Ernährung vorenthalten. Manchmal müssten sie sogar für ihre Freilassung zahlen, die nur nach dem schriftlichen Versprechen erfolge, keine Petitionen mehr einzureichen.

Die meisten der oft temporären und unhygienischen "schwarzen" Gefängnisse, die für ihre Betreiber eine lukrative Einkommensquelle seien, sind in Provinzhauptstädten und in Peking. Pro Jahr würden so etwa zehntausend Menschen eingesperrt, zitiert Human Rights Watch die Schätzung eines ungenannten chinesischen Juristen. In Peking soll es demnach 10 bis 50 "schwarze" Gefängnisse geben.

"Die Existenz von schwarzen Gefängnissen im Zentrum von Peking spottet der Rhetorik der chinesischen Regierung von der Verbesserung der Menschenrechte und der Herrschaft des Rechts," sagte die Asiendirektorin von Human Rights Watch, Sophie Richardson, bei der Vorstellung des Berichts.

Zwar gehe die Initiative zum Einsperren der Bittsteller von den Behörden in den Provinzen aus, doch Pekings Justiz und Polizei deckten diese widerrechtliche Praxis. "China hat Gesetze, die Festnahmen und Inhaftierungen regeln, aber die Regierung ignoriert diese im Fall der schwarzen Gefängnisse und ihrer Insassen", so Richardson.

Laut Human Rights Watch gibt es diese Verliese, in denen die Reise so vieler Bittsteller endet, seit Juni 2003. Die Praxis ist allerdings nicht neu, denn bis dahin konnten Behörden ihnen unliebsame Personen ganz legal willkürlich festnehmen.

Nach einem Todesfall wurden die Gesetze geändert, was die Menschrechtsorganisation ausdrücklich lobt. Seitdem hätte sich jedoch die Praxis der "schwarzen" Gefängnisse entwickelt, gefördert durch die neue Praxis, Beamte mit Petitionen abzustrafen.

Das aus der Kaiserzeit stammende Petitionsrecht ist für viele Chinesen besonders auf dem Land der einzige Weg, sich gegen die Behörden zu wehren. Stoßen sie dabei auf taube Ohren, wenden sich die Bittsteller an die nächst höhere Ebene. So halten sich immer hunderte Bürger aus den Provinzen in Peking auf, die dort beim zentralen Petitionsbüro Eingaben machen wollen.

Um Petitionen zu verhindern – landesweit etwa zehn Millionen pro Jahr – werden die Bittsteller oft an den Bahnhöfen von Beamten ihrer Heimatprovinz abgefangen und nach Hause geschickt oder widerrechtlich eingesperrt. "Die schwarzen Gefängnisse symbolisieren das Versagen des Petitionssystems", so das Fazit des Berichts.

Chinas Regierung bestreitet die Existenz "schwarzer" Gefängnisse, über die selbst chinesische Medien schon vereinzelt berichteten. So berichteten die China Daily vergangene Woche von einem Prozess, in dem ein Wächter eines solchen Geheimgefängnisses beschuldigt wird, eine 20jährige vergewaltigt zu haben.

Im April sagte die Außenamtssprecherin auf die Frage einer Korrespondentin von Al Dschasira: "Solche Dinge existieren in China nicht." Zuvor hatte die Journalistin solche widerrechtlichen Haftzentren gefilmt.

Die ausführlichste Dokumentation gelang im September 2007 einem Filmteam des britischen Channel 4. Im Stil des US-Dokumentarfilmers Michael Moore überrumpelte es mit laufender Kamera die Wächter eines "schwarzen" Gefängnisses, die sich der journalistischen Dreistigkeit zunächst kaum zu erwehren wussten. Später wurden die Journalisten über Stunden festgehalten, konnten ihr Filmmaterial aber sichern.

Am Dienstag veröffentlichte Chinas Justizministerium laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua einen Gesetzentwurf, der Häftlinge besser vor Missbrauch schützen soll, also die Insassen regulärer Haftanstalten. Sollte dieser an sich positive Schritt erfolgen, könnte er jedoch die Existenz "schwarzer" Gefängnisse fördern, wenn die Regierung weiter nichts gegen diese unternimmt.

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18 Kommentare

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  • M
    Martin

    ... und außerdem: lieber tazsekretär statts staatssekretär

  • M
    Martin

    ich vermute mal, die einfache korrektur wäre weniger zeitaufwendig gewesen als dieses hinundher.

     

    letzt aber saß bei euch sogar ein/e übereifrige/r sekretär/in, da wurden zwei beiträge von verschiedenen martins verschmolzen.

  • A
    anke

    @Nicolas:

    Der Unterschied zwischen China und der Ex-DDR ist so groß, wie Sie offenbar glauben, nie gewesen. Auch von den Lebens- und Arbeitsbedingungen in der chronisch devisenknappen DDR hat der Westen Jahrzehntelang profitiert. Es hat ihn einen Dreck interessiert, ob DDR-Feinstrumpfhosen nach Fünfjahrplänen produziert wurden oder nicht, so lange sie nur billiger waren als die, die Quelle sonst hätte verkaufen müssen. Der einzig echte Unterschied ist, dass DDR-Querulanten mitunter aus dem Ostknast freigekauft wurden. Einfach deswegen, weil sie Deutsche waren. Die Chinesen müssen zusehen, dass sie ohne Westgeld wieder raus kommen – aus welcher Sorte Knast auch immer.

  • K
    Kommentator

    Erschreckend!

    Aber wo passiert ähnliches nicht - wenngleich nicht überall aus solch niederen motiven heraus?

     

     

    - Guantanamo, Abu Ghraib u.v.m. durch die USA.

     

    - Russland - gang und gäbe.

     

    - Arabische Welt - weit vertreten.

     

    - Afrika - in Teilen noch vieel schlimmer.

     

    - Türkei, die so mancher Grünling in der EU haben will, foltert auch Kurden und andere Minderheiten.

     

    ...

     

    Weder wir dürfen uns diesen zuständen annähern - und das geschieht derzeit in kleinen Schritten - noch darf die Welt da zusehen.

     

    Vergleiche Fall Markus Gävgen.

    Vergleiche Fall Kurnaz.

     

    Die Seuche Folter droht auch uns und sie kommt wenn unsere Gesellschaft nie zu ner echten Zivilgesellschaft wird.

     

    Grenzen auf für alle Folteropfer!

  • E
    Evildick

    Also wenn die TAZ mir meine eigene Sekretärin stellt werde ich auf jeden fall TAZ-Genosse =)

  • R
    redaktion

    Martin, dafür haben wir hier keine Zeit.

     

    Deine Behauptung, wir würden nicht aufpassen, ist etwas anmaßend. Ich habe deine Bitte um Korrektur durchaus wahrgenommen, ich bin aber nicht deine Sekretärin.

     

    Durch deine Bemerkung wurde doch klar, was dir wichtig war. Ich sah deinen Beitrag hiermit als korrigiert an.

     

    Bitte mal vorsichtig mit dem Vorwurf, hier würde nicht aufgepasst. Es wird im Nachhinein entfernt, wenn uns mal was strafrechtlich relevantes durchgerutscht ist. Aber nochmal: Um einzelne Leserkommentare im Nachhinein (inhaltlich) zu korrigieren, fehlen uns die Ressourcen.

     

    Damit das besser wird: Kauft Online-Abos, werdet taz-Genossen.

  • M
    Martin

    nein!

     

    ""sondern" bitte mit "sonst" ersetzen in meinem beitrag"

     

    das war doch nicht zur veröffentlichung gedacht! bissl mitdenken bitte *g*

  • E
    Evildick

    @Martin: ds problem ist dass china alles extrem billig in den westen verkauft. den meisten deutschen (und europäern) wäre der politische hintergrund einer solchen aktion sch***egal, sie würden nur sehen dass die preise steigen und das ist für die meisten auf jeden fall noch schlimmer als so einen faschistischen staat zu unterstützen...

  • M
    Martin

    "sondern" bitte mit "sonst" ersetzen in meinem beitrag

  • M
    Martin

    Alles, wo "Made in China" draufsteht, sollte EU-weit vom Zoll beschlagnahmt und vernichtet werden. Das wäre verdammt viel Zeug, und würde China zwingen, sich an die Menschenrechte zu halten, sondern würde es wirtschaftlich implodieren Sowas würde die Menschheit weiter bringen als z.B. ein Krieg in Afghanistan, wo fünf Mädchen weggebombt werden, damit eines in die Schule kann.

  • HN
    Herr Neumann

    Erst kürzlich wurde Günther Grass im TV-Interview nach der chinesischen Menschenrechtspolitik gefragt. Die Antwort unseres berühmten Schriftstellers war: "Wir sollten gegenüber China nicht so hochmütig und so pharisäherhaft sein."

  • N
    Nicolas

    Herr Hansen, danke für diesen Bericht. Wir kennen ein solches 'Verschieben' der Grausamkeit auch von der CIA (Obama: 'we will not torture'), die seitdem meistens nur bei anderen 'einliefern'. Was China und den Westen betrifft: hier herrscht Verlogenheit durch und durch. Eine Riesenparty feierte in Berlin den 'Sieg der Freiheit', ohne jeden Gedanken an heutige Foltergefängnisse. Daran zeigen sich doch wohl die Verlogenheit selbsternannter Freiheitsfreunde, denen das Elend heutiger Folteropfer am Arsch vorbeigeht. Der Unterschied zwischen China und der Ex-DDR ist schnell erkannt: in China profitiert der Westen seit vielen Jahren von den Niedriglöhnen, von der systematischen Unterdrückung jedes freien Worts, jedes Rechtsanwalts, jeder Gewerkschaft. Es werden, wie Ihr Bericht zeigt, sogar völlig Gutgläubige mit ihren Petitionen vom korrupten Regime niedergewalzt. Sie haben nirgendwo eine Stimme, bei den Entscheidungsträgern im Westen sowieso nicht. Denn dort zählt nur der Profit.

  • T
    treba

    ohne die praxis auch nur ein bischen entschuldigen zu wollen, möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass im lande obamas auch nicht gerade tolle gefängnissituationen herrschen :

     

    http://www.taz.de/1/politik/amerika/artikel/1/nur-noch-im-gefaengnis-sterben/

     

    von europa ganz zu schweigen, z.b. frankreich:

     

    http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/kritik-an-frankreichs-u-haft/

     

    natürlich handelt es sich bei den beispielen zumindest mehrheitlich um halbwegs rechtstaatlich verurteilte leute.

    das ändert nichts daran, das justizapperate auch in den westlichen staaten barbarisch handeln.

  • K
    klömpi

    China und die Menschenrechte, das wird wohl nie was. Und unsere Politiker machen immer noch gute Miene zum bösen Spiel, mit Euroscheinen in den Augen. Traurig. Diese schwarzen Gefängnisse sind ein weiteres Mosaiksteinchen im grotesken Unrechtsstaat China, und ein deutliches Zeichen dafür, wieviel dort ein Mensch wert ist.

  • HS
    Herrn Schmilz

    War es nicht Kanzler Schröder, der die Schnelligkeit chinesischer Genehmigungsverfahren für Projekte wie eine Verlängerung ICE-Strecke so ausdrücklich gelobt hatte, eben weil die Widerspruchsrate vergleichsweise vernachlässigbar sei ...?

  • AW
    Anton Wisniewski

    Was für eine Überraschung, wer hätte das gedacht, dass China eine faschistische Diktatur ist, die keine Rücksicht auf die Menschen nimmt.

  • HK
    Hans Kontrolle

    Entschuldigung ,die pdf von dem human rights watch report läszt sich wirklich nicht öffnen. Der Email Name ist ein Fake, der Hinweis aber trotzdem nicht!

  • E
    Evildick

    Ich kann nicht verstehen wie in der heutigen Zeit so etwas zugelassen werden kann ohne dass der große heilsbringer und friedensstifter obama oder einer der anderen politiker auch nur etwas sagt... ich versteh es nicht.