Zehntausende Lehrer fehlen: Hilfslehrer aus der Chefetage

Annette Schavan will Manager in die Schulen holen - für eine "bessere Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft". Das eigentliche Problem der Schulen ist jedoch Lehrermangel.

Bildungsministerin Schavan möchte Manager vor Schulklassen stehen sehen. Bild: dpa

Es dauerte nicht lange, bis sich die Bundesbildungsministerin von ihrem Vorstoß wieder distanzierte. "Ich fordere alle Unternehmen auf, ihre Topmitarbeiter für den Schulunterricht freizustellen", hatte Annette Schavan (CDU) über die Bild gefordert und damit deutschlandweit Entrüstung ausgelöst. Lehrergewerkschaften, Unternehmen, selbst CDU-Kultusminister empfanden die Idee, Manager in die Klassen abzuordern, als verfehlt. Ausgerechnet die Manager, die momentan ein noch schlechteres Image haben, als es die oft gescholtenen Lehrer je hatten, sollen den Lehrermangel in der Schule ausbügeln?

Schavan will nun missverstanden worden sein. Es gehe lediglich um eine "bessere Kooperation der Lebenswelt Schule mit der Lebenswelt Wirtschaft", sagte ihr Sprecher Elmar König am Dienstag der taz. Zuvor hatte es noch geheißen, ein Ingenieur könne doch zwei Stunden wöchentlich Physik oder Mathematik unterrichten. Nun sagte Schavans Sprecher: Die Ingenieure und Naturwissenschaftler aus Betrieben sollten keinesfalls regulären, regelmäßigen Unterricht übernehmen, sondern lediglich in den Schulen hospitieren. "Das darf natürlich kein Konzept gegen den Lehrermangel sein", sagte König.

Doch genau das belastet die Schulen derzeit: Deutschland werden in den kommenden Jahren zehntausende LehrerInnen fehlen, bis 2015 sollen nach Berechnungen der Kultusministerkonferenz fast die Hälfte der knapp 800.000 LehrerInnen in den Ruhestand gehen.

Auch wenn diese Prognose aus dem Jahr 2003 stammt und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dringend neue Daten über das Ausmaß des Lehrermangels einfordert: Dass es eine Lücke gibt, wird derzeit mehr als deutlich. Vor allem in Fächern wie Mathematik, Physik, Chemie, aber auch in Latein ist der Mangel bereits zu spüren. Der Lehrerverband spricht davon, dass jetzt schon 20.000 LehrerInnen fehlen.

Die Folge: Die Bundesländer werben sich gegenseitig die Lehrkräfte ab. Baden-Württemberg hat vor zwei Wochen eine deutschlandweite Kampagne gestartet (taz berichtete) und damit selbst in Bayern für Verstimmung gesorgt. Im Wettbewerb um Lehrer sei "eine Eskalationsstufe erreicht, die die Schamgrenze verletzt", sagte der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle. Der Berliner Senat musste jüngst dem Druck von abwanderungswilligen JunglehrerInnen nachgeben und bezahlt den jungen Pädagogen, die in Berlin nur angestellt sind, jetzt sage und schreibe 1.200 Euro brutto mehr im Monat - was denen aber immer noch nicht reicht, sie fordern eine Rückkehr zur Verbeamtung.

Was in der Debatte um Lehrermangel und deren Bezahlung etwas untergeht, ist die Frage, wie gut die LehrerInnen an den Schulen sind. Das findet zumindest der Münchner Bildungsforscher Ludger Wößmann, der mit einer Studie über die mäßigen Noten angehender LehrerInnen Schavans Vorschlag mit provoziert hatte. "Das Hauptanliegen muss sein, insgesamt eine besser ausgebildete Lehrerschaft zu haben", sagte Wößmann der taz.

Den Vorschlag, Firmenmitarbeiter regelmäßig unterrichten zu lassen, hält er hier allerdings für wenig praktikabel, zumal den Managern und Ingenieuren die pädagogische und didaktische Ausbildung fehle. Generell findet er zwar, dass "mehr Menschen, die auch die Welt außerhalb des Klassenzimmers gesehen haben", an den Schulen nötig seien. Doch das müssten dann Quereinsteiger sein, die dauerhaft in den Schulen bleiben. In der Masse könnten allerdings auch sie weder das Problem des Lehrermangels noch die Qualitätsdefizite in den Lehrerzimmern beheben.

Das gilt auch für eine Initiative, die schon vor ihrem Start als Vorzeigeprojekt gehandelt wird: "Teach First". In dem von Studierenden gegründeten und von der Vodafone-Stiftung, der Lufthansa sowie der Deutschen Post geförderten Projekt sollen 100 herausragende Uniabsolventen zu Lehrern auf Zeit ausgebildet werden ("Fellows"). Von September an werden sie zwei Jahre lang in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen in Brennpunktschulen unterrichten. Vorbild ist ein Projekt in den USA.

Eines unterscheidet die Initiative aber massiv von Schavans Idee: Die Lehrer auf Zeit werden drei Monate lang in Vollzeit auf ihre Aufgabe vorbereitet. "Und das soll auch kein Ersatz für die Lehrer sein, sondern ein zusätzliches Angebot für Schulen, an denen die Not am größten ist", sagt Mortimer von Plettenberg, Geschäftsführungsmitglied bei "Teach First". Ein Mittel gegen den Lehrermangel ist die Initiative also nicht - aber vielleicht eines für die oft geforderte Öffnung der Lehrerzimmer.

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