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Zehn Schüler totAmoklauf an finnischer Schule

Ein 22-Jähriger erschießt zehn Menschen im Schulzentrum von Kauhajoki - und dann sich selbst. Der Täter war kurz zuvor wegen eines auffälligen "Youtube"-Videos verhört worden.

Ein auf einem Internet-Server bereit gestelltes, undatiertes Bild zeigt Matti S. mit einer Pistole posierend. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Zum zweiten Mal binnen eines Jahres hat es in Finnland einen Amoklauf an einer Schule gegeben. Dabei wurden nach Polizeiangaben vom Dienstagnachmittag zehn SchülerInnen getötet und mehrere verletzt. Der Attentäter versuchte, sich nach der Schiesserei durch einen Schuss in den Kopf das Leben zu nehmen und erlag wenig später im Krankenhaus von Tampere.

Die Schiesserei hatte am Dienstagvormittag im Volkshochschulzentrum von Kauhajoki nahe der westfinnischen Stadt Seinäjoki begonnen. Nach Angaben des Hausmeisters betrat der maskierte Täter gegen 11 Uhr das Schulgebäude und begann zuerst in einem Schulraum, in dem gerade eine schriftliche Prüfung abgehalten wurde, und danach auf den Gängen mit einer Pistole wild um sich zu schiessen.

Der Täter ist der 22-jährige Matti S. aus Kauhajoki, ein Schüler der Berufsschule. Auf der Internet-Videoplattform "Youtube" legte er vor einigen Monaten den Account "Wumpscut86" an, auf dem er - bis dieser Account einige Stunden nach der Tat gesperrt wurde - auf Videoclips bei Schiessübungen zu sehen war. Die Polizei war auf diese Clips aufmerksam geworden und hatte ihn am Montag deshalb zu einem Verhör geladen. Dabei soll sich aber laut Innenministerin Anne Holmlund kein Hinweis auf eine mögliche Straftat ergeben haben.

In einem der fraglichen Clips mit dem Titel "You will die next" gibt er mit seiner Pistole direkt auf den Betrachter Schüsse ab. Ein weiterer Clip, nur wenige Tage alt und mit dem Namen "Goodbye", zeigt ihn zunächst bei Schiessübungen und zum Ende sagt er ein "Auf Wiedersehn" in die Kamera. Dabei gab er allerdings keinen konkreten Hinweis auf etwaige Tatabsichten.

Auf einem IRC-Chat-Account hatte "Wumpscut86" am 6. August eine Fotocollage mit dem Titel "Wumpscut on its way to hell" ins Netz gestellt. Nur eine knappe Stunde vor seinem Amoklauf fügte er noch drei neue Selbstbildnisse mit seiner Pistole, die auf den Betrachter zeigt, hinzu.

Am 7. November vergangenen Jahres hatte der 18-jährige Schüler Pekka-Eric Auvinen an einer Schule in der finnischen Stadt Jokela bei einem ähnlichen Amoklauf sechs Schüler, zwei Lehrerinen und danach sich selbst erschossen. Er hatte seine Tat vorher auf "Youtube" mit dem Clip "Jokela High School Massacre" angekündigt.

Die finnische Polizei durchkämmt seither systematisch Internet-Viedeo- und Chatplattformen nach möglichen Hinweisen auf solche Taten. Ähnlich wie Auvinen hatte auch Matti Saari als Mitglied eines Schützenvereins einen Waffenschein für die Schusswaffe. Mit seiner Pistole vom Typ Walter P22 führte er die Tat aus.

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4 Kommentare

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  • P
    Psychologe

    Solche Taten sind wahrlich nur die Spitze des Eisbergs. Da müssen auch sehr viele verschiedene Faktoren aufeinandertreffen, dass es wirklich zu solchen Taten kommen. In der Aggressionsforschung hat sich ein kleiner Zusammenhang zwischen Konsum gewalttätiger Medien und wirklicher Aggression gezeigt. Dabei ist es sicher falsch, die Hauptursache von Aggression in den Medien zu sehen, jedoch können die Medien wohl in vielen Fällen das Fass schlicht zum überkippen bringen. Man kommt halt meist nicht einfach so überhaupt auf die Idee, mal schnell ein Massaker zu vollführen. Die Medien können gerade in solchen Fällen den entscheidenden Unterschied machen, indem sie so einiges an Handlungsszenarien anbieten, die oftmals noch als lustvoll dargestellt wurden. Aber bitte nicht nur auf Killerspiele abzielen, sondern auf die gesamte Gewaltindustrie. Doch welcher Politiker will schon auf einen ganzen Wirtschaftszweig verzichten...

  • BW
    bernhard wagner

    Solche Taten sind (nur) die Spitzen von Eisbergen.

     

    Was darunter liegt, müsste noch viel besser erforscht werden - und zwar nicht nur individualistisch, sondern auch sozial, denn kein Mensch entsteht einfach so zufällig aus dem Nichts oder erschafft sich selbst ohne jede Umwelteinflüsse (das zu behaupten ist so wahr, wie das Märchen, dass sich Münchhausen selbst aus dem Sumpf gezogen hat).

     

    Erstaunlich ist wirklich, dass sogar die Polizei den Täter noch Tags zuvor als harmlos eingeschätzt hat. Hoffentlich wird daraus wenigstens die Lehre größerer Vorsicht gezogen.

     

    Aber naja, Finnland plant ja auch ein neues Atomkraftwerk. Da kann ja auch nix passieren ... Vorsicht ist übertrieben [ironisch gesagt].

    (dabei könnte beim Bau vieler Windräder v.a. offshore um die dänische Küste, aber auch sonst, ganz Skandinavien den Strom aus Windenergie erzeugen, erst recht, wenn die Häuser als Passivhäuser saniert & neu gebaut würden, wie das schon Modelle in Norwegen u. Schweden beweisen, dass das heutzutage recht einfach geht).

     

    Aber a propos "Vorsicht": Die 'Waffenlobby' wird natürlich sagen: Hätten alle Lehrer_innen Waffen zur Selbstverteidigung, dann wären jetzt vielleicht 5 Menschen mehr noch am Leben -

     

    andererseits wird dann vielleicht auch 'mal ein depressiv-agressiver Lehrer ausflippen. Das ist also auch ambivalent - und psychologische Studien haben schon vor mehr als 10 Jahren gezeigt, dass die sichtbare Anwesenheit von Waffen das Agressionspotenzial ansteigen lässt (weshalb z.B. die Polizei daraufhin bei Demos ihre Strategie geändert hat, sich weniger provokativ zu zeigen, sondern sich eher in Seitenstraßen zurückzuziehen u.s.w.).

     

    E i n e H a u p t u r s a c h e ist nach meiner Einschätzung, und da bin ich nicht allein, eine gewisse allgemeine soziale "Kälte", wo Konkurrenzkämpfe und Hierarchien eine größere Rolle spielen, als echtes gegenseitiges Einfühlungsvermögen.

     

    Auch die Schule mit ihren Konkurrenzzwängen etc. ist oft ein recht "kalter" Ort, der das noch bestärken kann

     

    Eine gute Studie zu Gewalt an Schulen allgemein, die für das, was ich die Eisberge unter diesen Spitzen genannt habe, erhellend sein könnte, ist vor einigen Jahren eine Langzeitstudie an Hessischen Schulen, von einem Team um Prof. Klaus-Jürgen Tillmann u.a.

  • J
    Jones

    Ganz klar... die Medien sind schuld. Filme, Killerspiele, Internet.

     

    Sowas kommt doch nicht von mangelnder Aufmerksamkeit, persönlichen Problemen und schwierigen Elternhäusern... oder gar vernachlässigter Sorgfaltspflicht - nein.

     

    Es kann schließlich kaum die Aufgabe der Eltern sein, Kindern den Unterschied zwischen Medien und Realität beizubringen, wo kämen wir denn da hin...

     

    Lieber Staat, 'schütze' uns durch Zensur, wir sind doch allesamt arme, hilflose Idioten, die sich der Medienflut nicht erwehren können...

  • N
    NetReaper

    Ich erwarte Konsequenzen von diesem Vorfall. Die in Deutschland bereits aufgetretenen Spielekiller werden das den sog. "Killerspielen" in die Schuhe schieben.