: Zehn Millionen Mark für den Ernstfall an der Wupper
■ Die Stadt Wuppertal darf jetzt ihre alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg mit Bundesmitteln „wieder nutzbar machen“ / Allen Beteiligten ist klar, daß die Bürger der Stadt auch nach der geplanten Renovierung nicht einmal vor zivilen Katastrophen geschützt werden kann / Platz hätten in jedem Fall nur 2,2 Prozent der Wuppertaler
Vom Krieg spricht man nicht gerne im Bonner Bundesamt für Zivilschutz. Für den „Verteidigungsfall“ seien die Bunkerplätze bestimmt, die jetzt für rund zehn Millionen Mark in Wuppertal instandgesetzt werden sollen, korrigiert der zuständige Beamte in der Behörde sanft, aber nachdrücklich. Nach dem letzten Krieg seien in der gesamten Bundesrepublik die öffentlichen Schutzräume instandgesetzt worden - „Wiedernutzbarmachung“ heißt das im Behördendeutsch - und nun sei eben Wuppertal dran. 8.600 Bunkerplätze sollen hier innerhalb der kommenden drei Jahre „wieder nutzbar gemacht“ werden. Jeder einzelne von ihnen kostet die Steuerzahler 1.200 Mark.
Die alten Bunkerruinen aus dem Zweiten Weltkrieg, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind, sollen nach ihrer Instandsetzung nur dem „Grundschutz der Bevölkerung“ bei kürzester Aufenthaltsdauer dienen. Dafür erhalten die NS -Bauwerke neue Lichtleitungen und Lüftungsanlagen, werden grundgereinigt und auch von außen neu gestrichen. Betten und Stühle sind ebensowenig vorgesehen wie Lebensmittelvorräte oder Medikamente. Die Nutzung der ohnehin veralteten Schutzbauten bei zivilen Katastrophen, Chemie- oder Atomunfällen scheidet deshalb auch nach Meinung des Leiters des städtischen Amtes für Zivischutz in Wuppertal, Ulrich von der Heydt, mit Sicherheit aus: „Wenn hier was passiert, dann ist durch unsere Tallage innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten das gesamte Stadtgebiet betroffen. So schnell bekommen wir noch nicht einmal alle Schutzräume geöffnet.“
Bis 1957 dienten die klobigen Bunker im Würfelbaustil nach dem Krieg als Unterkunft für obdachlos gewordene Menschen, danach begann ihr zunehmender Verfall; vor allem die Dächer sind in katastrophalem Zustand. Einige der Räume sind zur Zeit trotzdem an Schützenvereine oder Getränkegroßhändler vermietet - den rund 385.000 Wuppertalern steht bis heute kein einziger Schutzraum zur Verfügung. Für rund 2,2 Prozent von ihnen soll sich das jetzt ändern: 8.600 EinwohnerInnen werden sich beim nächsten Krieg in einen öffentlichen Bunker flüchten können. Nach welchen Kriterien diese Menschen ausgesucht werden, weiß allerdings auch Amtsleiter von der Heydt nicht: „Wenn voll ist, machen wir die Tür zu.“
Daß es überhaupt keinen vollkommen atomwaffensicheren Bunker gibt, ist heute ebenso unbestritten wie die Tatsache, daß nach einem nuklearen Schlagabtausch auch ein auf den neuesten technischen Stand gebrachter Schutzraum nicht vor dem sicheren Strahlentod bewahren kann. Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten „Internationalen Ärzte für die Verhinderung eines Atomkriegs“ haben dies in ihren Dokumentationen eindrucksvoll nachgewiesen, daß es keine medizinische Hilfe gibt. Der Unsinn der Bunkerrenovierung ist auch für die Wuppertaler Politiker und Bürokraten offensichtlich.
Annehmen wollen sie das Millionengeschenk aus Bonn trotzdem. Denn wenn die Stadt nur für die äußere Instandsetzung der inzwischen unansehnlichen Betonklötze aufkommen müßte, würde der städtische Haushalt mit drei bis vier Millionen Mark belastet werden. Jetzt übernimmt der Bund auch diese Kosten und verschafft der Stadt neue Räume, die an Jazzbands, Heimatvereine und Künstler vermietet werden können. Daß die Bunker tatsächlich einmal achteinhalbtausend Wuppertalern als Schutz vor einem neuen Krieg dienen könnten, glaubt in der Stadt ohnehin niemand mehr. Seit der Öffnung fast aller Grenzen nach Osten, in Zeiten internationaler Entspannung und gegenseitiger Abrüstungsbemühungen, sind auch an der Wupper die Feindbilder dahingeschmolzen. Der Rat der Stadt, der Wuppertal vor einigen Jahren zur atomwaffenfreien Zone erklärt hatte, wird die Entscheidung des Bundesinnenministeriums nur noch zur Kenntnis nehmen.
Stefan Koldehoff
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