Zapatisten in Berlin: Auf der Suche nach Verbündeten
Derzeit reist eine zapatistische Delegation durch Europa, für eine Woche sind acht Compañeros in Berlin. Am Freitag wollen sie demonstrieren.
Die Zapatisten, die seit ihrem bewaffneten Aufstand 1994 gegen den mexikanischen Zentralstaat ihren Anspruch auf autonome und basisdemokratische Selbstorganisierung verteidigen, sind in diesen Wochen in Europa unterwegs. Mitte Juni landeten die ersten von ihnen nach 50-tägiger Seereise in Spanien, 500 Jahren nach der Rückkehr von Christopher Kolumbus. So richtig los ging die groß organisierte „Reise für das Leben“ als 177 Zapatisten Mitte September in Wien aus dem Flugzeug stiegen. Mehr als 70 touren in diesen Wochen durch Deutschland, nach einem großen Treffen im Wendland nun aufgeteilt in 13 kleinen Teams.
Auf ihrer Suche nach Verbündeten ist ihr Programm prall gefüllt. In sechs Tagen Berlin-Aufenthalt haben die Guerilleros zahlreiche Treffen mit politischen Gruppen der radikalen Linken und migrantischen Selbstorgnisation, dazu Kulturveranstaltungen, Ankunfts- und Abschiedszeremonien. Jeder Termin ist zeitlich getaktet, jedes Essen und jede Wegstrecke zwischen Prinzessinnengärten, Bethanien und Köpi geplant, öffentlich ist davon nichts. Für nicht-Eingeweihte in Erscheinung tritt die Delegation nur zwei mal. Ton- oder Bildaufnahmen der Compañeros sind auf dem Oranienplatz verboten.
Am Freitag wird die zapatistische Delegation demonstrieren. Unter dem Titel „gegen die Todesmaschinerie des kolonialen Kapitalismus“ geht es durch Mitte vorbei an den Sitzen von auch in Mexiko bekannten Unternehmen wie Heckler & Koch oder Bayer-Monsanto. Zum Auftakt am Schiffbauerdamm hin führt eine Schiffsdemo mit der Anarche. Im Aufruf dazu heißt es: „Ihr kamt mit Schiffen, um zu kolonialisieren, um Waffen zu bringen und zahlreiche Länder zu zerstören. Jetzt kommen wir mit dem Schilf, um uns gemeinsam gegen eure Versuche uns auszulöschen zu erheben“.
Auf Traum-Reise durch Europa
Auf dem O-Platz ist die Stimmung eher festlich als kämpferisch. Eine Ausstellung informiert über die Geflüchtetenkämpfe an diesem Ort, in einem Zelt können Kinder zapatistischen Geschichten lauschen und Piñata schlagen. Auf der Bühne nennt der erste Redner aus Chiapas die Reise einen „Traum“. Angesichts jahrelanger Vorbereitungen und unzähliger Steine, die ihnen mexikanische und andere Behörden in den Weg legten, ist sie tatsächlich ein besonderes Ereignis.
Weitere Redner sprechen über die Lebensbedingungen ihrer Großeltern, die für Großgrundbesitzer auf Fincas arbeiten mussten. Ausführlich erzählen sie, Satz für Satz durch Übersetzer unterbrochen, wie ihre Vorfahren Steinhäuser errichten, Tiere in die Städte trieben und Salzsäcke schleppen mussten, nur Maisbrei zu Essen erhielten und ausgepeitscht wurden. Entwürdigt und entrechtet waren die Menschen in diesem ärmsten Bundesstaat Mexikos noch vor wenigen Jahrzehnten. Erst ihr Aufstand habe diesen Zustand beendet, so der – unausgesprochene – Subtext.
Es ist eine von fünf Erzählungen, die die Zapatisten auf ihrer Reise teilen, „um die Geschichte ihrer Bewegung näher zu bringen“, sagt die Moderation im Anschluss. Welche Bedeutung sie aber für die Zuhörer habe? Es gebe „Gemeinsamkeiten zum Kapitalismus hier und heute“, so die Antwort, auch hier würden noch immer „Menschen ausgebeutet und gequält“. Der wirkliche Austausch der Bewegungen, lehrreiche Debatten über Strategien und Zusammenarbeit, findet womöglich woanders statt. In klandestineren Zusammenkünften.
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