: Zaires Studenten erheben sich
■ Gewalttätige Demonstrationen in der Hauptstadt Kinshasa bringen die Regierung in Bedrängnis. Die rassistische Hatz vieler Studenten gegen Tutsi-stämmige MitbürgerInnen wird inzwischen bedauert
Berlin (taz) – Zweitausend Kilometer sind es zwischen der Hauptstadt Kinshasa und dem Krisenherd in Ostzaire. Die zairische Regierung hat die Kontrolle über ihre beiden Regionen Süd- und Nordkivu gegenüber den Banyamulenge-Rebellen verloren – und sie hat auch Kinshasa nicht im Griff. Zehntausend Studenten haben die Hauptstadt letzte Woche mit Randalen überzogen. Sie fordern den Rücktritt der Regierung von Kengo-wa-Dondo. Kengo habe Zaire an Ruanda verraten. Der Sohn einer ruandischen Tutsi gehöre aus dem Land gejagt.
Der seit der Krise in Ostzaire aufgebrochene Rassismus gegenüber Tutsi, der Hunderte von zairischen und ruandischen Tutsi zur Flucht aus der Hauptstadt veranlaßt hat, ist aber vordergründig. In dem Chaos auf Kinshasas Straßen artikuliert sich der aufgestaute Frust über miserable Studienverhältnisse und die Vorenthaltung von demokratischen Reformen. Bei den Protesten kamen in der letzten Woche drei Studenten ums Leben. Ein Demonstrationsverbot wurde jedoch selbst von Soldaten unterlaufen, die Hunderte von Studenten letzte Woche in den Palast der Republik, den Sitz des Übergangsparlaments, einließen.
In der Nacht zu Dienstag griffen Sondereinheiten des Regimes mehrere Studentenwohnheime an. Sie jagten die Studenten aus ihren Betten und verwüsteten die Gebäude. Die obdachlosen Studenten mußten sich unter den Schutz mehrerer Kirchen begeben. Vorausgegangen waren in der vergangenen Woche Studentenunruhen, bei welchen drei Studenten ums Leben gekommen waren.
Studentenführer bedauern inzwischen die Hatz gegen die Tutsi. „Wir fordern die Beseitigung der Regierung, weil sie sich gleichgültig gegenüber unserer Armut verhält“, lassen sie jetzt verlauten. Die Studienverhältnisse sind in der Tat miserabel: Die Uni von Kinshasa ist vierfach überbelegt, Toiletten wurden zu Schlafräumen umfunktioniert, Lehrmittel seit über zehn Jahren nicht mehr angeschafft und Professoren bekommen Hungerlöhne. Diplome müssen die Studenten sich meist erkaufen.
Frustration herrscht aber vor allem über die seit 1992 blockierte Demokratie. Gerade die Studentenbewegung war 1989/90 eine jener Kräfte, die Präsident Mobutu im April 1990 dazu zwangen, das Mehrparteiensystem und eine Nationalkonferenz zuzulassen. Demokratische Fortschritte wurden jedoch vom Mobutu-Regime konterkariert – mit Korruption und Gewalt. Auch die Krise in Ostzaire ist eine Folge der Destabilisierungspolitik des Regimes, das ethnische Animositäten nutze, um die 1992 noch geeinte Opposition zu spalten.
Die Studenten fordern eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wollen außerdem, daß die Beschlüsse der zairischen Nationalkonferenz von 1992, die schon für 1993 demokratische Wahlen vorsah, aber von Mobutus Soldaten schließlich torpediert wurden, wieder Bedeutung erlangen. Oppositionsführer Etienne Tshisekedi hat sich an die Spitze der Bewegung zu setzen versucht. Tshisekedi, der für sich reklamiert, der einzig legitime Premier zu sein, weil er 1992 von der souveränen Naitionalkonferenz gewählt worden war, rief zum Sturz von Kengo-wa-Dondo auf. Auch von den Hardlinern des Mobutu-Regimes bekam der Premier Druck. Generalstabschef Eluki warf Kengo vor, die zairische Armee nicht ausreichernd mit Finanzen ausgestattet zu haben. Eluki allerdings wurde deshalb vom Dienst suspendiert. Mobutu, als Chef der Armee, stellte sich damit schützend vor seinen Premier, der ihm seit 1994 als international angesehener Technokrat zu neuem Ansehen verhalf.
Kurzfristig sehen viele Zairer die Rückkehr Mobutus, der sich in Frankreich nach einer Krebsoperation aufhält, als Rettung vor dem Chaos. Daß Mobutu aber der Hauptverantwortliche für die desperate innen- und außenpolitische Lage Zaires ist, wird durch die Ereignisse in Ostzaire kaschiert. Daniel Stroux
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