Zahlen zu den Erneuerbaren Energien: Warme Wände ohne Wärme-Wende
Das Statistische Bundesamt rechnet den Einsatz erneuerbarer Energien in Neubauten schön. Geheizt wird überwiegend mit fossiler Energie.
Das Statistische Bundesamt lehnt sich weit aus dem Fenster. Am Donnerstag publizierte die Behörde eine Mitteilung mit der Überschrift: „Erneuerbare Energien 2018 erstmals auf Platz 1 bei Beheizung neuer Wohngebäude“. 66,6 Prozent der im Jahr 2018 neu errichteten Wohngebäude würden mit erneuerbaren Energien beheizt, heißt es dort.
Das klingt gut. Rechnet man nun aber jene Gebäude raus, bei denen die Erneuerbaren nur unterstützend eingesetzt werden – also vor allem in Form von Solarthermie und Holz – so sinkt die Quote der erneuerbar beheizten Neubauten bereits auf 47,2 Prozent.
Darauf weisen die Statistiker in ihrer Meldung auch hin. Das heißt im Umkehrschluss: Die Mehrheit der Neubauten wird auch weiterhin fossil beheizt. Und selbst dieser Wert ist fraglich. Er ergibt sich, indem die Statistiker kurzerhand die elektrischen Wärmepumpen als erneuerbar werten. Dieser Status wird häufig damit begründet, dass die Wärmepumpe der Außenluft oder dem Erdboden Wärme entzieht, also „erneuerbare Umweltwärme“ nutzbar macht.
Das kann man so rechnen, muss man aber nicht. Denn vor allem Luftwärmepumpen verbrauchen erhebliche Mengen Strom – und dieser wird in Deutschland noch mehrheitlich (aktuell im Mittel zu rund 60 Prozent) aus nichterneuerbaren Quellen bereitgestellt.
Zu den Erneuerbaren zählt das Bundesamt zudem auch Biomethan. Das macht die Statistik noch ein wenig beliebiger. Denn eine Heizung, die Biomethan nutzt, ist aus technischer Sicht eine ganz normale Erdgasheizung. Erst durch einen entsprechenden Gasliefervertrag erhält die Heizung das Prädikat „erneuerbar“. Durch einen schlichten Vertragswechsel könnte die Heizung diesen Status entsprechend auch wieder verlieren.
Geheizt wird vor allem mit fossilen Energien
Hinzu kommt: Aus Sicht des Klimaschutzes fallen die Neubauten kaum ins Gewicht. Viel relevanter ist der Gebäudebestand, und der ist nach Zahlen der AG Energiebilanzen weiterhin fest in Hand der fossilen Energien: 49 Prozent aller Wohnungen in Deutschland heizen aktuell mit Gas, 26 Prozent mit Öl. Strombasierte Heizungen – also Elektroheizung und Wärmepumpe – erreichen zusammen knapp fünf Prozent Anteil. Fernwärme, von der immerhin ein Teil regenerativ erzeugt wird, kommt auf 14 Prozent. Diese Zahlen dürften die Herausforderungen der Energiewende im Gebäudesektor besser beschreiben, als die Meldung der Statistikbehörde.
Zumal ebenfalls am Donnerstag das Bundeswirtschaftsministerium seinen zweiten „Fortschrittsbericht zur Energiewende“ (pdf-Datei) vorgelegt hat – und darin nur bescheidene Erfolge dokumentiert. So konnte der Wärmebedarf der Gebäude in Deutschland seit 2008 gerade um 0,8 Prozent pro Jahr reduziert werden. „Die bisher erzielten Fortschritte reichen nicht aus“, gesteht das Ministerium und bekennt sich abermals zu einer „signifikanten Anhebung der Sanierungstätigkeit“ und einer „Dekarbonisierung der Wärmeversorgung“.
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