ZYPERN VERHANDELT – EIN ERFOLG DER EUROPÄISCHEN UNION: Eine Chance, die nicht wiederkehrt
Eigentlich können alle Seiten von einer Lösung des Zypernkonflikts nur profitieren. Auf Zypern selbst könnten zehntausende griechische Flüchtlinge wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Die verarmten Zyperntürken wären ihren Paria-Status als Bewohner eines nicht existenten Staates los und dürften als künftiger Teil der EU Wohlstand genießen. Griechenland und die Türkei würden gutnachbarschaftliche Beziehungen aufnehmen. Die Türkei dürfte endlich Morgenluft für die EU-Mitgliedschaft schnuppern. Und die Nato schließlich müsste nicht länger in Sorge wegen Krisen an ihrer eigenen europäischen Südostflanke sein.
Wäre, dürfte, müsste, könnte. Die Logik des Konflikts auf Zypern folgt nicht unbedingt den optimistischen Vorstellungen aus Berlin, Brüssel oder Washington. Die griechischen Zyprioten werden ihren Alleinvertretungsanspruch erst aufgeben, wenn der gemeinsame Bundesstaat mit den Inseltürken weder eine vorübergehende Affäre noch eine verkappte Anerkennung der türkischen Besetzung vor fast 28 Jahren darstellt. Die Zyperntürken bauen felsenfest auf ihren Schutz durch türkische Truppen. Ankaras Generale werden Zypern nicht loslassen, bis sie sicher sein können, zumindest symbolisch weiter auf der Insel präsent zu sein. Deshalb ist es noch lange nicht ausgemacht, dass die gestern begonnenen Zyperngespräche tatsächlich zum Erfolg führen werden.
Als Katalysator für die Gespräche hat die anstehende EU-Mitgliedschaft Zyperns gewirkt. Die Türkei verzichtete auf die bisher verlangte Anerkennung des Status quo auf der Insel, um nicht ihre eigenen europäischen Hoffnungen begraben zu müssen. Die EU hat aber auch den Griechen deutlich gemacht, dass sie ihre Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung Zyperns auf sehr lange Zeit begraben müssen, sollte es nicht jetzt zu einem Erfolg kommen. Allein die Tatsache, dass Zyperngriechen und Zyperntürken ohne Vorbedingungen an einem Tisch sitzen, ist ein Erfolg der sonst so viel gescholtenen EU-Diplomatie. Sollten die Zyprioten sich einigen, wäre das auch eine Sternstunde der Europäischen Union. KLAUS HILLENBRAND
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