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ZWANGSARBEITERENTSCHÄDIGUNG: DRUCK AUF UNTERNEHMEN STEIGERN!Geschäft und Moral

Noch nie, so Otto Graf Lambsdorff in der Bundestagsdebatte zum Stiftungsgesetz, hätten Moral und Geschäft so dicht beieinander gelegen wie bei der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft für die Zwangsarbeiter. Gerade das Profitinteresse verlange schließlich nach der guten Tat. Präziser hätte auch Brecht diesen Sachverhalt nicht ausdrücken können.

Allein – das Gros der deutschen Unternehmer verweigert sich dieser Konkordanz des Guten und des Nützlichen. Die Verweigerer fühlen sich in Übereinstimmung mit jener Form von gesundem Volksempfinden, die aufs heutige Firmenpodukt sieht und nicht auf die Verbrechen der ehemaligen Firmeneigner. Es könnte allerdings sein, dass die Verweigerer sich im Grad dieser Übereinstimmung irren. Weshalb als einzige Möglichkeit, sie in die Stiftungsinitiative zu zwingen, der Pranger bleibt. Diesen Pranger sahen die Verweigerer bis jetzt als vollkommen harmlos an.

Lambsdorff und mit ihm die Redner der großen Parteien (plus FDP) haben es im Bundestag vermieden, ihre Empörung über die Verweigerer-Front anders zu äußern als in Sätzen gemessenen Unmuts. Es war nur Volker Beck, der, ganz im vergessenen Stil der grünen Anfangsjahre, das Parlament zur Tribüne der Anklage machte. Er nannte die Namen von Firmen. Was für eine Geschmacklosigkeit!

Volker Beck von den Grünen sowie Ulla Jelpke (PDS) unterlief außerdem noch die „Peinlichkeit“, aus Briefen ehemaliger Zwangsarbeiter zu zitieren. So darf man die komplizierte Gesetzesmaterie auf keinen Fall emotionalisieren. Und haben diese beiden billigen Effekthascher vergessen, wie konstruktiv und sachlich die Parlamentarier bei der Beratung des Gesetzes im Innenausschuss miteinander umgegangen sind?

Eben. Die in der Kasse der Stiftungsinitiative fehlenden fast zwei Milliarden Mark sind nicht durch Appelle an eine etwas weiter gefasste Unternehmer-Rationalität eintreibbar. Sondern nur durch eine Form öffentlichen Drucks, wie sie Beck und Jelpke im Bundestag beispielhaft praktizierten. Boykottdrohung von außen, Druck von Gewerkschaften und Anteilseignern, die nicht jede Humanität eingebüßt haben, von innen. Es wäre falsch, mit der Auszahlung zu warten, bis die fünf Milliarden Mark beisammen sind. Es liegt bei der oft beschworenen Zivilgesellschaft, ob mit den ersten Entschädigungen der Druck zusammenbricht – oder ob er sich verschärft. Zu Gunsten der Zwangsarbeiter – und zu Gunsten dessen, was von unserer Ehre übrig geblieben ist. CHRISTIAN SEMLER

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