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ZDF-Serie über Finanzwirtschaft„Bad Banks“ nervt

Lea Streisand
Kommentar von Lea Streisand

Die neue Serie bei Arte und ZDF bekommt gerade viel Lob. So ein Quatsch. „Bad Banks“ zeigt, was das Problem mit dem deutschen Fernsehen ist.

Jana Liekham (Paula Beer): Engelsgesicht, aber: böse! Foto: ZDF

M etallisch kalte Farben, regennasse Straßen, verzweifelte Bürger vor leeren Bankautomaten in Frankfurt am Main, dann Polizei, Molotowcocktails, Bürgerkrieg. So sieht die Apokalypse aus, die deutsche Fernsehproduzenten sich vorstellen. Mittendrin eine junge Frau im Kapuzenpulli auf dem Weg in die verlassene Bank. Jana Liekham, unsere Hauptfigur, eine blutjunge Investmentbankerin mit Engelsgesicht. Das Böse. Sie ist schuld. Sie hat das Ganze losgetreten.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise von 2008 haben Arte und ZDF eine Serie zum Thema gemacht. Noch größer soll der Crash werden, so raunen die Analysten in Bad Banks, noch dramatischer, aber diesmal von Europa aus gesteuert. Wir können das nämlich auch.

Das ist alles sehr hübsch anzuschauen. Die Kameraführung ist hochglanzmäßig. Die Schauspieler geben alles. Es ist spannend erzählt. Es könnte alles so schön sein. Wenn nur die Geschichte nicht so unfassbar hölzern wäre.

„Welchen Preis hat deine Moral?“ fragt die Serie in der ZDF-Mediathek sich selbst im Untertitel. Ach deswegen müssen sich die Bänker permanent betrinken und Drogen nehmen und Sexarbeiterinnen verprügeln! Weil sie sonst an ihrer eigenen Schlechtigkeit kaputt gehen würden. Ach herrjemine!

Produzentin Lisa Blumenberg erklärte dem Tagesspiegel: „Ich wollte wissen, wer diese Banker sind und was das mit uns zu tun hat. Ich wollte in die ,Maschinenräume' des Investmentbankings, wo die globalen Geldflüsse angeheizt werden.“

Böse Dämonen ohne Gewissen, die aber eigentlich alle nur geliebt werden möchten und deswegen böse sind. Echt jetzt?

Genau in dieser Aussage wird das ganze Problem der Serie und auch des deutschen Fernsehens im Ganzen auf den Punkt gebracht.

Wir sind die Guten, die Sparer, die armen Teufel, die einer redlichen Arbeit nachgehen; dort sind „diese Banker“, böse Dämonen ohne Gewissen, die aber eigentlich alle nur geliebt werden möchten und deswegen böse sind. Echt jetzt? Also müssten wir allen Bankern nur mal eben eine Therapie überhelfen und auf ihren Handys Tinder installieren und schon hätten wir Kommunismus, oder was?

Warum kann man nicht einfach Leute zeigen, die ihren Job machen?

Als ob jede Verkäuferin, die im Edeka an der Wursttheke steht, sich jeden Abend im Bett wälzen würde vor Kummer darüber, was das Kalb für die Leberwurst, die sie heute verkauft, wohl für eine Kindheit hatte.

Individuell-psychologische Verwundungen

Natürlich ist Geld für Investmentbanker abstrakt. Das ist normal, wenn man seinen Beruf macht. Man kriegt einen distanzierten Blick für den Gegenstand, mit dem man arbeitet. Für Chirurgen sind sogar menschliche Körper abstrakt, sonst könnten sie sie nicht aufschneiden und darin herumfuhrwerken um ihren Job und uns wieder gesund zu machen.

Ich bin Erzählerin und betrachte Erzählungen distanziert. Und mich nervt es tierisch, wenn speziell im deutschen Fernsehen jedes gesellschaftliche Problem am Ende immer nur auf individuell-psychologische Verwundungen zurückgeführt wird und damit den Zuschauer von jeder Verantwortung befreit.

Wir sind ja keine Banker, wir wohnen nicht in Beton und Stahl, sondern sitzen schön zwischen warmen Holzregalen mit den richtigen Büchern drin und trinken fair gehandelten Kaffee aus in der Selbstfindungsgruppe selbst getöpferten Tassen. Mit uns hat das alles nichts zu tun. So ein Glück!

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Lea Streisand
Autorin
Schriftstellerin + NEU Herausgeberin von "Sind Antisemitisten anwesend? - Satiren, Geschichten und Cartoons gegen Judenhass" (Satyr Verlag 2024) => BUCHPREMIERE am 30.9.24 im Pfefferberg Theater Berlin. Kolumnen montags bei Radio Eins.
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13 Kommentare

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  • Das eigentliche Problem der Finanzwelt kommt leider nur am Rande zum Ausdruck. Wenn in Folge 6 die Bundesregierung die Situation rettet, dann macht sie das im Prinzip mit einem "weiter so". Einfach Wegfusionieren, das Problem. Und danach weiter so.

    Das Staatsversagen bei der Regulierung ist das eigentliche Problem. Spekulationen könnten ohne Probleme unterbunden werden, wenn Kapitalanforderungen für Risikogeschäfte drastisch nach oben geschraubt würden. Beleihung von Immobilien nur noch bis 40%, zum Beispiel. Dann gibt es auch keine Immoblase. Allerdings gibt es dann auch keinen Haustraum für Kleinbürger. Und das will die Politik natürlich nicht.

  • Ich hab's nicht geguckt weil es doch spätestens seit dem Bankenchrash 2009 erwiesen ist , ich zitiere einen vor 20 Jahren verstorbenen Bekannten meines Vaters der 4 Jahre wegen Bankraub im Gefängnis saß:''... es ist krimineller eine Bank zu eröffnen als eine auszurauben !'' Eine ''Spannende'' Saga ala Bellheim oder Schattenmann daraus zu machen finde ich nicht gerade Sexy. Eine Dokureihe mit Aussteigern, noch Aktiven und Betrogenen hätte ich mir gerne angesehen.

    • @Bodo Klimmek:

      Naja zur Qualität der Aussage.

    • @Bodo Klimmek:

      Naja. Im Grunde muss man das Zitat Bertolt Brecht zuschreiben. Aber schön das der Bankräuber so gebildet war.

  • "„Bad Banks“ nervt" - da kann ich Ihnen recht geben, liebe @Lea Streisand. Mich hat das allzu amerikanische Gehabe dieser Ansammlung von Psychopathen auch genervt. Nur scheint mir: Was da nervt, ist nicht der Film, sondern die schier unglaubliche Realität, die er abbildet - so jedenfalls beschreibt es ein Aussteiger aus dem Investment-Banking bei "vice" (https://www.vice.com/de/article/a349pp/wir-haben-bad-banks-mit-einem-banker-geguckt ). Und was da wirklich nervt, sind nicht die Neurosen der Protagonisten, sondern dieser ungeheure Schwachsinn im globalisierten Kapitalismus, solchen betrügerischen Handel mit virtuellem Geld in allen möglichen raffinierten, verschleiernden Verpackungen nicht nur zuzulassen, sondern dem Geschehen an den Börsen, den Zockerbuden, auch noch in allen Nachrichtensendungen und Gazetten zu huldigen, als wäre da etwas ernst zu nehmen.

  • "Ich bin Erzählerin und betrachte Erzählungen distanziert." Alles scheint in der Fernsehkritik hier um Zugehörigkeiten zu gehen. Da wurde was nicht anständig gemacht (das Drehbuch geschrieben). Die Figuren gehören alle hier und da hin, die TV-Zuschauer und -Zuschauerinnen sind so und so. Und das schlimmste Verhältnis scheint es zu sein, dass die meisterhafte Filmtechnik dieses Drehbuch umsetzt, das Lea Streisand doch am am liebsten selbst und viel, viel besser geschrieben hätte. Doch wie ist es im Showbusiness? Wer es macht, die macht es! Ich finde die Serie insgesamt sehr gut gemacht. Sie gehört zur neuen Seriensachlichkeit mit Babylon Berlin. Wenn es gerade irgendwas im teuren deutschen TV zu feiern gibt: bitte! Why not? Die Serie ist zumindest so gut, dass über Vieles in ihren Handlungen differenziert nachgedacht werden kann. Das scheint in diesem Artikel aber leider nicht möglich, da ja eine Fundamentalkritik stattfinden muss.

    • @Schlemmeratlas:

      Ich stimme Schlemmeratlas zu. Gestern Abend wollte ich mir die erste Folge ansehen und bin dann bis zur letzten Folge vor dem Fernseher hängen geblieben. Spannend inszeniert, hübsche Nacktszenen, und die Handlung nicht unrealistisch (nur halt ziemlich komprimiert).

  • Die teilweise gebrachten dreckigen Sprüche bildete der Film zutreffend ab, die ich selbst auch in dieser Branche so erfahren habe. Die Hardcore Porno Szenen fehlten. Der Film ist spannend erzählt. Allerdings in einer anderen Art und Weise wie der Film The Wolf of Wall Street (2013), der aus meiner Sicht bisher ungeschlagen ist und dafür Leonardo DiCaprio den Oskar wahrlich verdient hätte.

  • Nun gut. Deutsches Fernsehen ist doof, klischeebelastet und kitschig (und sein Geld nicht wert...), da gebe ich Ihnen sofort recht.

     

    Ich frage mich aber, ja, was hat es mit uns zu tun? Vielleicht schalte ich da gerade nicht schnell genug, aber welchen Einfluß hat der Einzelne auf die Spekulationen des über die Stränge schlagenden Finanzsystems? Abgesehen vom wählen gehen, und was das bringt, könnte man auch in Frage stellen. Ich frage nicht aus Gemeinheit, sondern die Antwort auf die Frage würde mich echt mal interessieren. Das fehlte mir im Artikel ein bißchen.

    • @kditd:

      Die Antwort ist doch einfach. Die meisten einfachen Anleger sind geldgeil. Was glaubt denn der Mann in der Strasse, wie es eine Bank schafft, in Nullzinszeiten Produkte mit 5% Rendite aufzulegen? Natürlich Strukturierung. Und der kleine Mann lechzt danach, treibt die Banker geradezu zu Höchstleistungen an. Das ist die Verantwortung, die auch der einfache Bürger trägt.

    • @kditd:

      Ich möchte Ihnen eine Antwort geben. Zunächst, zumindest aus meiner Sicht gibt es entweder alles, oder eben nichts am Finanzsystem zu kritteln. User Lesmankov hat es mE angedeutet, Sie kommen im Grunde nicht drumherum. Es ist ber nun auch nicht jemand "schuldig", weil er einen Kredit aufnimmt. Eher müsste jeder Kreditnehmer einen Orden bekommen.

      Zusammenfassung: die Frage, die Sie stellen, stellt sich gar nicht. Es ist im Ergebnis nicht richtig, das Finanzsystem zu betrachten, sondern das, was es - ich wähle absichtlich doppeldeutig - füttert. Geld, das scheint auf der Hand zu liegen, kommt als "Futter" in Frage, ist es aber nicht. Man muss dazu die Perspektive ändern: es kommt in Frage, die Abhängigkeit von Geld und dabei auch die daraus resultierende Macht.

    • @kditd:

      Keine Kreditkarte? Keine Schulden und keine Versicherungen abgeschlossen? Auto ohne Kredit bezahlt? Noch nie von öffentlichen Investitionen durch Staatsanleihen profitiert?

       

      Und wenn Sie jetzt als Reaktion versuchen zwischen 'gutem' und 'bösem' Finanzmarkt zu unterscheiden, bitte ich um eine Definition, die eine klare Trennung zwischen dem Einen und dem Anderen erlaubt... Nur gibt es die leider nicht.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Danke schön! Ich dachte schon alles und jede und jeder finden die Serie gut.

     

    Das hat ja fast schon was von "raffendem und schaffendem Kapital."

     

    Wenn das der Beweis sein soll, dass Deutsche hippe Serien machen können, dann ist er nicht erbracht.