ZDF-Serie „Das Mädchen und die Nacht“: Ein Thriller ohne Thrill
Die ZDF-Serie „Das Mädchen und die Nacht“, in dem die Mörder von Anfang an bekannt sind, beginnt vielversprechend. Doch dann fehlt Spannung.
Wir sind Mörder, Thom“, sagt Maxime zu seinem ehemaligen Schulfreund. Und mit dieser Aussage, die in der ersten Folge schon fällt, bleibt wenig Mysterium für die Thrillerserie „Das Mädchen und die Nacht“. Dabei beginnt der Sechsteiler, der auf dem Roman von Guillaume Musso beruht, eigentlich ganz vielversprechend.
Vier junge Leute fahren auf zwei Vespas vergnügt an der Côte d’Azur durch die Gegend. Eine Rückblende in die späten 90er, als Vinca, Thomas, Maxime und Fanny gemeinsam ein Elitegymnasium in Antibes besuchten. Ihre scheinbar unbeschwerte Jugend endet abrupt, als Vinca (Ivanna Sakhno) erzählt, von ihrem Philosophielehrer vergewaltigt worden zu sein.
Thomas (Ioan Gruffudd) und Maxime (Gregory Fitoussi) zögern nicht lang – und töten ihn. Maximes Vater lässt die Leiche in einer Kellerwand der Sporthalle verschwinden. Doch nicht nur die Leiche verschwindet, auch Vinca ist nicht mehr zu finden. Als die vier sich 25 Jahre später bei einer Schulfeier wiedersehen, soll die Sporthalle abgerissen werden. Maxime und Thomas fürchten, dass ihr Geheimnis nun gelüftet wird.
Doch die Serie nutzt die spannende Ausgangssituation nicht, sondern verzettelt sich. Schon in der ersten Folge fällt auf, dass die Serienmacher:innen sich statt für einen roten Faden, lieber für eine rote Perücke entschieden haben. Eine rote Bobfrisur mit Pony umrahmt das Gesicht der Protagonistin Vinca.
Zwischen Femme Fatale und crazy Ex-Girlfriend
In den späteren Episoden sind Handlungen und Dialoge kaum mehr nachvollziehbar, das liegt auch an den starren Charakteren. Die erinnern an die Vampirfamilie „Cullen“ aus Twilight und ihre Emotionen passen nicht zu dem, was um sie herum passiert. Zu dieser Emotionslosigkeit kommt eine stereotype Zeichnung der Figuren.
Vinca als Femme fatale, die alle Männer um den Verstand bringt. Thomas, der sich gezwungen sieht, Vinca, zu rächen und ihren Philosophielehrer zu ermorden. Boys will be boys. Das Klischee der crazy Ex-Girlfriend verkörpert Fanny. Sie scheint verrückt geworden zu sein, nachdem Vinca eines Sommers auftauchte und Thomas Fanny für Vinca verlassen hat. Irgendwie bleiben aber alle vier beste Freund:innen.
Und dann ist da noch Pauline: Eine heutige Schülerin (ebenfalls von Ivanna Sakhno gespielt) des Gymnasiums, die in Vincas ehemaligem Zimmer lebt und in ihrem Namen eine Art Kult namens „Heteroditen“ gegründet hat. Jede der Heteroditen trägt eine rote Perücke, damit die Zuschauer:innen auch verstehen, worum es geht, wenn eine Gruppe mit Signatur-Bob bestückter Frauen die gediegene Schulfeier stürmt. Sie zischeln immer wieder im Chor: „Wo ist sie? Was habt ihr ihr angetan?“ Die Serie stellt sie als verrückt gewordene Frauen dar, die hirnlos pseudofeministische Parolen grölen.
„Das Mädchen und die Nacht“, alle sechs Episoden in der ZDF-Mediathek
Einziger Lichtblick sind die schwangere Kommissarin Manon (Shemss Audat) und der Lokaljournalist Pianelli (Matthias van Khache), die wenigstens ansatzweise glaubwürdig sind. Gemeinsam tüfteln die beiden an den unzähligen Ungereimtheiten und versuchen herauszufinden, warum Vinca verschwunden ist. Das einzige Rätsel der Serie bleibt, wieso diese beiden Figuren nicht mehr im Zentrum stehen. Sie hätten überraschende Charaktere um die ganzen Stereotype herum bauen und sie sich über ihr absurdes Verhalten wundern lassen können. Das wäre zumindest witzig gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“