: Yuppie-Fantasien
Fantasy Filmfest-Auftakt: Bret Easton Ellis' American Psycho ■ Von Holger Römers
Vereinzelt, einer nach dem anderen, fallen im Vorspann von American Psycho vor einem schneeweißen Hintergrund Blutstropfen zu Boden. Dass es sich um Blut handelt, ist angesichts der skandalumwitterten literarischen Vorlage des Films jedenfalls die naheliegendste Vermutung. Doch die rote Flüssigkeit entpuppt sich bald als Himbeersoße, mit der ein Dessert in einem Nouvelle Cousine Restaurant verziert wird.
Mit der satirischen Farce „American Psycho“ wird am 16. August das Fantasy Filmfest in Hamburg eröffnet. Diese Wahl mag verwundern, denn Bret Easton Ellis' Roman gibt selbst bei großzügiger Auslegung von Genrekategorien kaum den Stoff für einen „Fantasy Film“ ab. Auch den Gattungen Science Fiction, Horror und Thriller, die im Untertitel des jährlich durch deutsche Großstädte tourenden Festivals genannt werden, kann das Sujet des Buches nicht zugeordnet werden. Mindestens ebenso abwegig hätte beim Erscheinen des Romans allerdings das Bekenntnis der Regisseurin Mary Harron geklungen, dass sie die Vorlage für ihren Film „lustig“ finde. 1992 schrieb Ellis' Verlag lieber einen bereits ausbezahlten sechsstelligen Vorschuss ab, als mit den minuziösen, geradezu detailverliebten Beschreibungen extremer Gewalt in Verbindung gebracht zu werden. Als ein Konkurrenzverlag einsprang, geriet das Buch dann erwartungsgemäß zum Skandalon.
Hauptfigur und Erzähler dieses literarischen Sittengemäldes der späten achtziger Jahre ist Patrick Bateman, ein junger, unverschämt reicher Börsenmakler, dessen scheinbar ungeteilte Aufmerksamkeit Stil- und Benimmfragen gilt. Allein die äußere Erscheinung, die Etikette zählen in seinem Manhattaner Yuppie-Kosmos, und Ellis reduziert sogar seine Sprache auf eine leere Oberfläche, wenn er die LeserInnen mit nicht enden wollenden Aufzählungen von Markennamen traktiert. Ebenso ausführlich lässt er Bateman jedoch von seinen Mordexzessen berichten. Es sind wahre Sturzbäche von Blut, in denen Ellis' Antiheld in einem postmodernen Panoptikum nach letzten Bedeutungsträgern des Realen, der Authentizität sucht.
Wenn Harron uns nun gleich zu Beginn vor Augen führt, dass in ihrem Film nicht einmal das Blut „echt“ ist, bedeutet dies also mehr als nur ein verspieltes Augenzwinkern. Zwar hält sich ihr American Psycho eng an die Vorlage, doch die Gewalt besitzt einen anderen Stellenwert. Folterszenen bleiben dem Kinopublikum erspart, während die Gewalttaten, die es zu sehen bekommt, eine deutlich surreale Note annehmen. Niemand scheint sich um die unübersehbaren Blutspuren zu kümmern, die Bateman hinterlässt, bis seine Mordserie schließlich in einer Sequenz endet, die wie eine schlafwandlerische Variation eines Actionfilm-Shoot-Outs anmutet.
Harrons Lesart von American Psycho, derzufolge Batemans Gewalttaten nur Produkte seiner Fantasie sind, schimmert in Ellis' Roman allenfalls zwischen den Zeilen als Möglichkeit durch. Ihr Film suggeriert dagegen ziemlich unzweideutig diese Perspektive, die es ihr erst erlaubt, das Geschehen als Farce anzulegen.
Doch ihre Satire zielt ins Leere. Eine sehr sorgfältige Ausstattung siedelt die Handlung im klinisch-kühlen Design der achtziger Jahre an, dessen Schwarz-, Weiß- und Chrom-Töne Kameramann Andrzej Sekula in strenges graues Licht hüllt. Durch den ironischen Einsatz von Achtziger-Jahre-Popsongs und vor allem durch Batemans aberwitzige Monologe über Phil Collins und Huey Lewis entsteht allerdings der Eindruck, als wende sich auch die Ironie des Films allein gegen diese vergangene Dekade.
Dabei droht der Hang zur harmlos-geschmacklosen Groteske auch die interessanteste Akzentverschiebung der Verfilmung zu überdecken. Harron, deren Spielfilmdebüt I Shot Andy Warhol die proto-feministische Warhol-Attentäterin Valerie Solanas zum Thema hatte, wendet gegen feministische Kritik an Ellis' Buch ein, dass nicht nur die meisten Opfer, sondern auch die einzigen sympathischen Figuren des Romans weiblich seien. Ihr Film betont diesen Aspekt noch, und so ist es der nur in wenigen Großaufnahmen eingefangene stumme Blick einer Prostituierten, eines Opfers von Bateman, der wohl das moralische Zentrum des Films darstellen soll. Solche Nuancen können aber nur allzu leicht übersehen werden, wenn Hauptdarsteller Christian Bale mit spöttisch verkniffenen Lippen und in Falten gelegter Stirn drauflos chargiert und die Inszenierung uns zu KomplizInnen seiner Figur macht.
Da das Stammpublikum des Fantasy Filmfestes solche Einladungen zur feixenden Komplizenschaft erfahrungsgemäß bereitwillig annimmt, ist es vielleicht ratsam, auf den offiziellen Kinostart von American Psycho im September zu warten. Unter den Beiträgen des Fantasy Filmfests sind sicher auch in diesem Jahr genügend andere Entdeckungen zu machen, die hierzulande nur bei dieser Gelegenheit auf einer Kinoleinwand zu sehen sein werden.
American Psycho: Mi., 16.8., 20.45 Uhr, Cinemaxx; das Fantasy Filmfest dauert noch bis zum 23.8.
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