Xinhua geißelt deutschen "Nazi-Geist": Kleiner Kulturkampf
Weil die Deutsche Welle eine Redakteurin wegen Peking-Lobhudelei nicht mehr ans Mikro lässt, sieht Chinas Propaganda dort "Nazi-Geist" am Werk.
"Zhang Danhongs Arbeit eingestellt, Nazi-Geist wiederbelebt". So lautet die Schlagzeile der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua ("Neues China") am 29. August. Die Agentur, die der Kommunistischen Partei (KP) Chinas untersteht, erzürnt, dass die stellvertretende Redaktionsleiterin des chinesischen Programms der Deutschen Welle (DW) bei dem Sender nicht mehr ans Mikrofon darf.
Hintergrund sind Äußerungen, die Zhang Danhong bei öffentlichen Diskussionen als DW-Vertreterin gemacht hatte: Sie deckten sich mit Pekings Propaganda und weckten erheblichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Journalistin. Daher entschied die DW, Zhang einstweilig vom Sender zu nehmen - was erst recht zu Attacken offizieller chinesischer Medien führte: Die Vorwürfe reichen von Doppelmoral über das Schüren von Ängsten vor dem erstarkenden China bis hin zur Behauptung, die deutschen Medien seien auf Intrigen antichinesischer Kräfte wie Falun Gong hereingefallen. Der Nazivergleich markiert allerdings selbst im Vergleich mit den Attacken gegen deutsche Medien während der Tibetkrise im März eine neue Dimension.
Nicht neu ist, dass überall in den chinesischen Internetforen, also auch in Deutschland (etwa www.dolc.de/forum), dieser offiziellen Linie weitgehend gefolgt wird. Zhang, die seit 1990 für die DW arbeitet, wird als weiterer Fall von Zensur chinafreundlicher Berichterstattung gewertet, nachdem Anfang August der Sport Informations Dienst (sid) einen Mitarbeiter nach einer Falschmeldung im Vorfeld von Olympia abberief.
Die 42-jährige Zhang wird nun als patriotische Heldin dargestellt - entlassen, weil sie die Wahrheit sagte. Bis jetzt, zitiert Xinhua, "schweigen alle Leitmedien wie Stern, Spiegel oder Zeit, die sich sonst ja immer der Verteidigung der Demokratie gerühmt haben".
Die DW weist auf ihrer chinesischen Webseite darauf hin, dass Zhang nicht entlassen worden sei, sondern weiter als Redakteurin arbeite. Sie habe in der Vergangenheit "ihre professionellen Fähigkeiten unter Beweis gestellt". Nur "entsprachen einige ihrer Äußerungen nicht den von der Deutschen Welle vertretenen Leitbildern, zu denen der Einsatz für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte gehört", so die Erklärung. Während man den Vorwürfen nachgehe, sei es "gängige Praxis", sie in dieser Zeit nichts ans Mikrofon zu lassen.
Zhang sei weder "zensiert noch sanktioniert" worden, sagt der Leiter der DW-Intendanz, Ansgar Burghof. Falls die Vorwürfe stimmten, sei sie jedoch nicht mit Sorgfalt vorgegangen und habe "ihre Verantwortung verletzt". Zhang lehnte gegenüber der taz eine Stellungnahme ab - die DW hatte sie und die chinesische Redaktion zum Schweigen verdonnert. Offensichtlich will der aus Bundesmitteln finanzierte Auslandssender das Thema klein halten.
Stein des Anstoßes sind allerdings gar nicht DW-Beiträge, sondern Zhangs Äußerungen im Deutschlandfunk, nach denen "die KP Chinas mehr als jede politische Kraft auf der Welt zur Verwirklichung des Artikels 3 der Erklärung der Menschenrechte beigetragen" habe. Dieser Artikel spricht jedem Menschen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person zu. Zhang hatte zudem die Sperrung chinakritischer Internetseiten im Reich der Mitte damit gerechtfertigt, dass schließlich auch in Deutschland Websites mit Kinderpornografie gesperrt seien. Zwar kritisierte sie, dass China die chinesischen DW-Seiten blockierte, aber "Feinde Chinas" wie tibetische Separatisten oder Falun Gong, deren Websites ebenfalls nicht aufgerufen werden können, verdienten diese Meinungsfreiheit nicht. SPD-Innenpolitik-Experte Dieter Wiefelspütz bezeichnete Zhangs Äußerungen als "einzige Katastrophe". Zhangs Leistungen würden der Aufgabe der DW nicht gerecht.
Als "koordinierten Angriff von Medien und Politikern" gegen China spricht dagegen ein Xinhua-Kommentar: "An diesen Vorfällen ist zu erkennen, dass es wegen der Änderung der politischen Sphäre in Deutschland immer schwieriger wird, in den deutschen Medien objektiv über China zu berichten, und dass sich die skrupellose Verleumdung und Diffamierung weit ausbreitet. Die absichtliche Erniedrigung von Chinesen erinnert auch an das Deutschland der Nazis", so Xinhua im Wortlaut.
Der Fall spaltet die chinesische Community weltweit: Während "Patrioten" Zhang in Schutz nehmen und der Nazivergleich auch bei Chinesen in Deutschland auf fruchtbaren Boden fällt und mit deren negativen Alltagserfahrungen angereichert wird, kritisieren "Dissidenten" Zhang als "Dienerin der Propaganda" Pekings.
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