Wutraum für US-Eishockey-Mannschaft: Terminierte Aggression
Das Eishockeyteam Philadelphia Flyers hat einen „Wutraum“ eingerichtet. Um ihn zu benutzen, muss man einen Termin machen. Absurd.
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Sport bringt das Blut in Wallung, auf dem Feld und auf der Tribüne. Die einen schwitzen vor Anstrengung, die anderen vor Anspannung. Und nicht selten mündet diese Anspannung in Wut und Aggression. Die Folge: Schlägereien, zertrümmerte Scheiben, zerstochene Autoreifen.
Das amerikanische Eishockeyteam Philadelphia Flyers hat für diese Eskalationen nun eigens einen „Wutraum“ geschaffen. Das bestätigte am Mittwoch der Betreiber des Stadions per Twitter. Fans sollen dort in geregeltem und geschütztem Rahmen ihrer Aggression freien Lauf lassen, den ganzen Frust abladen können. Vor, nach und während der Heimspiele sollen sie dort mit Vorschlaghammer, Baseball- und Eishockeyschläger auf alles einschlagen, was ihnen in den Weg kommt.
Auf den ersten Blick scheint die Idee so genial wie simpel. Endlich ist eine Lösung gefunden worden, um die aggressiven Fans unter Kontrolle zu bringen. Endlich keine Schlägerei und Sachbeschädigung vor den Stadien und in den Bahnhöfen mehr.
Man muss vorher wissen, ob man wütend ist
Doch das Konzept hat einen Haken. Denn der Zutritt zum „Wutraum“ ist nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Man muss also vorher schon wissen, ob man nachher wütend ist.
Der „Wutraum“ versucht also, Unkontrollierbares kontrollierbar zu machen. Die Fans sollen schön geplant ihre Emotionen entladen, dabei folgen Emotionen naturgemäß gerade keiner Regelmäßigkeit. Vor allem kündigen sie sich nicht einen Tag im Voraus an, sodass man noch rechtzeitig ein Online-Booking durchführen kann. Oder schreiben Sie Ihre Wutanfälle in den Kalender?
Und andersherum: Angenommen, man hat den Wutraum gebucht – und dann ist einem nach dem Spiel gar nicht nach Zerstörung zumute. Kann man die Buchung dann an den viel wütenderen Nachbarn abgeben? Den Raum für Emotionen untervermieten?
Der „Wutraum“ ist natürlich eine amüsante Idee, löst aber nicht das Problem. Wenn man das Prinzip mal auf Deutschland überträgt, zum Beispiel. Die Fußballfans, die das Adrenalin der Zerstörung und Gewalt lieben, werden weiterhin draußen randalieren und mit Bierflaschen um sich schmeißen. Teuer ist der „Spaß“ übrigens auch noch. 35 Dollar pro Person kosten fünf Minuten wütend sein. Und wer will auch noch extra für die ohnehin enttäuschende Leistung der Mannschaft zahlen?
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