■ Kommentar: Wundgescheuert
Unter humanitären Gesichtspunkten dürfte das Wort „Hamburger Polizei“ eigentlich in den nächsten Wochen nicht mehr in den Schlagzeilen auftauchen. Die Gemeinheiten, Indiskretionen, Prozesse und „Korruptionsfälle“ (Stichwort Zeitungsaffäre), denen sie in jüngster Vergangenheit ausgesetzt war, haben die Führungsetagen wundgescheuert und erstarren lassen. Doch Mitleid gibt's nicht mal mit den eigenen Leuten.
Was Dieter Langendörfer ausspricht, denken viele. Innensenator Wrocklage wird zum Beispiel nachgetragen, daß er den ehemaligen Landespolizeichef Heinz Krappen unehrenhaft vor die Tür setzte. Nur wegen des „sogenannten“ (Polizeijargon) Polizeiskandals. Vorsichtshalber hält man ihn deshalb abwechselnd für einen Idioten, einen Nestbeschmutzer, einen Ahnungslosen oder einen Finanzbeamten, der sich in der Tür geirrt hat.
Übel nimmt man Wrocklage auch, daß er sich nicht so vornehm aus der Polizeiarbeit zurückhält wie sein Vorgänger Werner Hackmann. Nicht gerade für preußische Sekundärtugenden bekannt, ließ Hackmann seine leitenden Beamten schalten und walten, wie ihnen der Sinn stand. Mit den bekannten Folgen.
Auch die Gewerkschaften haben sich nicht mit Ruhm bekleckert (Mauer des Schweigens? Welche Mauer? Wieso Schweigen?). Daß Langendörfer leitender Gewerkschafter ist, macht ihn daher nicht zum Helden. Doch Kritik nicht nur zu tuscheln, sondern öffentlich dafür geradezustehen, spricht auf jeden Fall für einen rebellischen Charakter. Und den kann die Polizei serienmäßig gebrauchen.
Silke Mertins
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