Wulffs Kreditaffäre: Bedauern mit etwas Verspätung
Bundespräsident Wulff erklärt sich: "Es wäre besser gewesen" den Privatkredit der befreundeten Unternehmergattin Geerkens nicht zu verschweigen.
HANNOVER taz | Der wegen eines Privatkredits über eine halbe Million Euro in die Kritik geratene Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hat am Donnerstag Bedauern geäußert. "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte", verkündete er per Pressemitteilung. Und kündigte an, den Vorgang aus seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident "vollständig klarzulegen".
2008 hatte er sich von der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens, ein langjähriger Freund, der wie Wulff aus Osnabrück stammt, zinsgünstig 500.000 Euro zur Finanzierung eines Einfamilienhauses geliehen. Als die niedersächsische Landtagsopposition den damaligen Ministerpräsidenten Anfang 2010 nach geschäftlichen Beziehungen zu Geerkens fragte, verschwieg der den Privatkredit allerdings. Und löste ihn kurz darauf durch einen regulären Kredit bei der BW-Bank in Stuttgart ab.
Hintergrund der Anfragen von Grünen und SPD war die sogenannte Air-Berlin-Affäre um ein kostenloses Upgrade eines Florida-Flugs Weihnachten 2009 von Wulff und seiner Frau Bettina von der Economy- in die Businessclass. Wegen dieser Sache stand Wulff Monate vor seinem Wechsel ins Bundespräsidialamt in der Kritik. In Florida hatten die Wulffs ihren Urlaub in Geerkens Villa verbracht: kostenlos, "wie unter Freunden üblich", erklärte Wulff damals auf Anfrage der SPD. Wegen des Upgrades zeigte er Reue und zahlte die 3.000 Euro Differenz nach - die Angelegenheit hatte sich erledigt.
Mit wahren Angaben wäre er nicht Präsident geworden
Publik wurde das nicht erwähnte Privatdarlehen der befreundeten Unternehmergattin am Dienstag durch einen Bericht der Bild-Zeitung. "Korrekt" habe Wulff vor anderthalb Jahren die parlamentarische Anfragen zu seinen Beziehungen zu Egon Geerkens beantwortet, erklärte der Sprecher des Bundespräsidialamtes, Olaf Glaeseker, in einer ersten Stellungnahme. Nach Geerkens Ehefrau Edith sei schließlich nicht gefragt worden.
Eine Argumentation, die nicht nur den Zorn der Opposition in Niedersachsen weckte: Die Grünen sprachen umgehend von "Täuschung" und schoben eine erneute parlamentarische Anfrage hinterher. "Im Falle einer ehrlichen Antwort", ist sich Niedersachsens Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sicher, "wäre Wulff gar nicht als Kandidat für das Bundespräsidentenamt angetreten". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach Wulff zwar demonstrativ ihr "volles Vertrauen" aus. Doch selbst aus der Unions-Bundestagsfraktion waren Stimmen zu hören, die sich "entsetzt" über die "Stillosigkeit" ihres Bundespräsidenten äußerten.
Vertragsunterlagen beim Anwalt sollen Transparenz schaffen
Kritik, auf die Wulff am Donnerstag reagierte: "Es wäre besser gewesen, wenn ich auf die Anfrage der niedersächsischen Abgeordneten im Landtag über die konkreten Fragen hinaus auch diesen privaten Vertrag mit Frau Geerkens erwähnt hätte", erklärte er. In der Sache aber habe er "nichts zu verbergen": Gespräche über einen Kredit zur Ablösung des Privatdarlehens habe er bereits im Dezember 2009 mit der BW-Bank geführt. "Also vor den Anfragen im niedersächsischen Landtag", wie Wulff in seiner schriftlichen Erklärung betont. Unterzeichnet habe er den Bankkredit dann im März 2010.
Die Vertragsunterlagen und weitere Papiere werde er bei einem Anwaltsbüro hinterlegen - "um Transparenz herzustellen", wie es am Donnerstag nach zwei Tagen Schweigen in Wulffs Erklärung zur Kreditaffäre hieß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo