Wühltisch: Elementare Unterschiede
■ Sicherheit für bessere Menschen: Wie man bei optimalem Objektschutz die Fahrradfahrt unbeschwert genießen kann
Seit Robert M. Pirsigs „Zen oder die Kunst, ein Motorrad zu warten“ wissen wir um die Undurchsichtigkeit selbst von klaren Glasscheiben. Doch die Blume am Wegesrand und die wundersame Welt der Käfer nimmt auch der Motorradfahrer nur peripher wahr, weshalb sich seit geraumer Zeit die Annahme hält, der bessere Mobilist sei der Radfahrer. Aus dem Bewußtsein einer prinzipiellen Gefährdung der Art hat sich in den letzten Jahren eine Diversifikation des Angebots herausgeschält, das nach dem Code sicher/unsicher aufgebaut ist.
Die erste Unterscheidung ist die von Fahrrad und kein Fahrrad, das heißt, ein unzureichend gesichertes Rad führt rasch zur Absenz des Gegenstands. Die klassische Version, dem entgegenzuwirken, ist das Seilschloß, ein superstarkes Kabelschloß mit Zylinder, das nun auch mit einem Schlüssellochverschluß erhältlich ist. Die Proloversion, die ihre Sicherheit gewissermaßen optisch verstärkt, ist seit jeher die starke Vierkant-Kette, die am besten mit einem ultraharten Schloß versehen wird. Wer den Lack seines Rahmens schonen möchte, wählt das Schloß mit einem griffsympathischen Kunststoffmantel, um Kratzspuren zu vermeiden. Eine avancierte Verschlußmöglichkeit stellt das Spiralseilschloß dar, das aufgrund der verlängerten Reichweite bei allem Sicherheitsdenken einen Hauch von Freiheit suggeriert.
Der Mercedes unter den Fahrradschlössern, wenn die Metapher aus der Welt des Autos einmal erlaubt ist, ist das Kryptonite-Bügelschloß, das selbst professionellem Schneidegerät standhalten soll. Das Bügelschloß macht aber nur mit einer entsprechenden Halterung Sinn, weil es andernfalls als schweres Gepäckstück das unbeschwerte Fahren empfindlich stört.
Mir wurde freilich ein von Experten für unzureichend befundenes Kettenschloß mit dünnen Gliedern zum Verhängnis. Weil es den Dieben nicht gelang, die Kette zu durchtrennen, die das Rad mit dem Baum im Hinterhof verband, schraubten sie kurzerhand das Hinterrad aus. Das brachte mir in bezug auf die Unterscheidung Fahrrad/kein Fahrrad eine dritte Variante ein.
Ein von der Branche inzwischen hinreichend erforschter Bereich ist die Vermeidung von Versehrungen als Folge des Radfahrens. Schützende Kopfbedeckungen aller Art zieren inzwischen den sekuritätsbewußten Radfahrer, wobei ich mir die Anmerkung nicht verkneifen kann, daß der Helm den sportiven Zweiradakteur immer ein wenig blöd dreinschauen läßt. Mit dieser Bemerkung oute ich mich freilich als Ignorant, der allzuoft geneigt ist, den Ernst der Verkehrslage herunterzuspielen.
Um Leuten wie mir heimzuleuchten, gibt es Organisationen wie den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), die auch hinsichtlich der Gerätesicherheit aktiv geworden sind. So favorisieren sie Anhänger gegenüber einem Kindersitz. „Die Gespanne sind aufgrund ihrer Silhouette deutlich besser zu sehen als ein Radfahrer mit Kindersitz“, heißt es in der Zeitschrift Radfahren Spezial. „Trotzdem hält sich das Vorurteil, daß ein Kinderanhänger leicht zu übersehen ist. Fast alle Trailer sind in starken Warnfarben gehalten und besitzen sowohl Fahnen als auch Reflektoren.“
Zum alltäglichen und immer heftiger tobenden Krieg auf den Straßen vielleicht noch dies: Zwischen Spoilerfetischisten und den Freunden zweirädriger High-Tech-Geschosse ist kein großer Unterschied auszumachen. Die ausgeprägte Objektbeziehung legitimiert sich in der Regel über die Sicherheit des Geräts. Harry Nutt
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