: Wuchernde Assoziationen
Werner Schroeter inszeniert mit „Die Schönheit der Schatten“ einen fiktiven Dialog zwischen Robert Schumann und Heinrich Heine. Eine Uraufführung als Hommage in der Düsseldorfer Kunsthalle
AUS DÜSSELDORFREGINE MÜLLER
Begegnet sind sie sich nur einmal und zwar am 8. Mai 1828. Damals besuchte der 17-jährige Robert Schumann den bereits berühmten, von ihm heiß verehrten Heinrich Heine in München. Man weiß wenig über den Verlauf der historischen Begegnung, aber sie wurde nicht wiederholt. Robert Schumann hat zahlreiche Texte Heines vertont, Heine seinerseits äußerte sich nie direkt über Schumann. Womöglich eine einseitige Liebe?
Was beide jedoch unzweifelhaft verbindet ist ihr Bezug zu Düsseldorf: Der kritische Dichter wurde hier geboren, Schumann war städtischer Musikdirektor. Beide starben vor 150 Jahren, der erste nach langem Leiden in Paris, der zweite geistig umnachtet in einer Heilanstalt bei Bonn. Obwohl beider Beziehung zu Düsseldorf alles andere als ungetrübt war, feiert Düsseldorf mit großem Aufwand das 150. Todesjahr beider als Heine-Schumann-Jahr, das die Künstler posthum zusammen führen will.
Kernstück des Gedenkjahres ist die am Sonntag eröffnete Ausstellung in der Kunsthalle „Das letzte Wort der Kunst“, die historischen Exponaten, Briefen, Partituren und Portraits aktuelle Arbeiten von Studierenden der Düsseldorfer Akademie gegenüber stellt, die sich mit Themen der Romantik auseinander setzen. Im größten Raum der Ausstellung befindet sich eine Installation, die als Bühne für die Uraufführung einer szenischen Collage fungiert, die Regisseur Werner Schroeter gemeinsam mit seinem musikalischen Leiter Roland Techet ersonnen hat.
“Die Schönheit der Schatten“ versteht sich als Hommage an Heine und Schumann und als Versuch, die beiden unterschiedlichen Künstler in einen fiktiven Dialog zu bringen. Schroeters Collage aus Wort, Musik und Tanz will weder analytische Ergebnisse noch biographisch-psychologische Erklärungen liefern, sondern versucht eine poetische Annäherung an die Künstler und deren Kernfragen. Um diese zu aktivieren, lässt er nicht nur Heine und Schumann ertönen, sondern auch Schubert, Wagner, Johann Strauß, Rachmaninow und Schönberg. Oleg Zhukov und Alexis Bug verkörpern ganz ohne romantischen Bekenntniskitsch Heine und Schumann, für expressiv-körperliche Entäußerung ist die Tänzerin Alexandra Kunz zuständig, Sopranistin Julia Kamenik singt mit beseelter Leuchtkraft. Roland Techet steuert als Pierrot vom Flügel aus das musikalische Geschehen, das die Geigerin Lisa Marie Landgraf mit hinreißenden Soli und ein erfrischend unputziger Kinderchor um schwungvolle Einlagen bereichert.
Schroeter, dessen hohe Affinität zur Musik nicht nur durch seine Arbeit als Opernregisseur belegt ist, lässt der Musik den Vortritt, stellt sie in den Mittelpunkt des Abends und umkreist sie unablässig. Dabei geht er mit tastender Zärtlichkeit vor, die dem Abend einen melancholischen Sog verleiht und ihn vor jener geschwätzigen Spekulation rettet, der derartige Versuche zumeist andernorts erliegen. Wie etwa zuletzt Hans Neuenfels‘ gespreizt-schwiemelige Triennale-Produktion „Schumann, Schubert und der Schnee“ vom vergangenen Herbst, die auf hohem Niveau langweilte. Obwohl auch Schroeter einige kritische Leerlauf-Momente riskiert, glückt ihm doch der Balance-Akt zwischen Annäherung und auratischer Distanz. Es gelingt ihm, die geweckten Assoziationen nicht wuchern zu lassen, sondern zu dichter Intensität zu bündeln. Nach knapp 90 Minuten findet der Abend mit Schönbergs raunender „Erwartung“ in geheimnisvollem Schwebezustand ein bewusst offenes Ende.
Heute und morgen, 20:00 UhrInfos: 0211-8996243