Wolfsburg gegen ManU: Der Meister ist draußen
Der deutsche Fußballmeister VfL Wolfsburg scheidet durch ein 1:3 gegen Manchester United aus der Champions League aus. Diagnose: Alles gegeben. Aber nicht alles gebracht.
WOLFSBURG taz | Für Trainer Armin Veh liegt der Grund für das 1:3 seines VfL Wolfsburg gegen den Weltklub Manchester United darin, dass dieser "eiskalt die Chancen genutzt hat". Das stimmt. Der von vielen bereits abgeschriebene Ex-Nationalspieler Michael Owen (44., 83., 90.) erzielte drei klinische Tore für den Champions League-Sieger von 2008. Edin Dzekos zwischenzeitliches 1:1 (56.) war schön, aber nichts wert. "Die Mannschaft hat alles gegeben. Du kannst ihr keinen Vorwurf machen", sagt Veh.
Alles gegeben ja, alles gebracht indes nicht: Der deutsche Fußballmeister war schlicht nicht in der Lage, auf dem nötigen Niveau zu agieren, als es im letzten Spiel der Champions League-Gruppenphase darauf ankam. Dazu fehlte vorn wie hinten die Effizienz. Allerdings war es für die Wolfsburger das 6. Champions League-Spiel, für Manchester United das 212. Unter dem Strich bleiben: Drei Heimspiele mit außergewöhnlicher Atmosphäre, laut Geschäftsführer Marbach 28-30 Millionen Euro Nettoeinnahmen. Und vermutlich ein inneres Nagen über die vergebene Chance.
United ist derzeit vielleicht unter mehreren Aspekten der größte Klub der Welt, doch in der VW-Arena genügte ein waches, solides, mäßig inspiriertes Spiel, um nicht nur den angestrebten Gruppensieg zu erreichen, sondern auch zu gewinnen. United war stark ersatzgeschwächt und spielte ein seltenes 3-5-2 mit einigen Spielern in Positionen, die üblicherweise nicht die ihren sind.
Manchester wird in das Achtelfinale begleitet von ZSKA Moskaus, das bei Besiktas Istanbul 2:1 gewann. Allerdings waren für die Partie zwei Profis von ZSKA wegen Doping gesperrt worden. Noch ist unklar, ob das weitergehende Auswirkungen haben kann. Der VfL als Gruppendritter spielt nächstes Jahr in der Europa League. Andere wären froh, wenn sie da drin wären. Doch das kann man nicht sein, wenn man im ersten Jahr Champions League schon so nah am Achtelfinale war, ehe die Sache beim 1:2 in Moskau kurz vor Spielende anfing, davonzuflutschen.
Zwar ist die Innenverteidigung des VfL nicht so schlecht, wie einige sie machen; sowohl Costa als auch Barzagli (abgesehen vom 0:1) machten jeder für sich ein recht solides Spiel. Aber die Defensive als Gesamtkunstwerk funktionierte auch dieses Mal nicht. Owens Kopfball zum 0:1 (44.) nach Nanis Linksflanke wieder mal ein Treffer, den man in Überzahl und wegen mangelnder Abstimmung kassierte. Vor Owens 2:1 (83.) tanzte der eingewechselte Obertan drei VfL-Spieler aus. Beim 3:1 gegen einen aufgerückten VfL zog Owen dann in der Nachspielzeit so furios davon, wie 1998 bei der WM, als sein Stern aufging. Owen hat eine harte Zeit mit vielen Verletzungen hinter sich. Es ist frappierend, dass er nächste Woche erst 30 wird. Er habe bewiesen, dass er "unvergleichlich" ist, sagte Ferguson, der ihn zu Saisonbeginn überraschend (und ablösefrei) geholt hatte. Das Spiel war allerdings auch wie gemacht für einen Konterstürmer wie ihn.
Wie von Armin Veh angekündigt, hatte der VfL versucht, tief zu stehen und mit überschaubarem Risiko anzugreifen. Das kann aufgehen, wenn man sehr effektiv ist. indes, der VfL war es nicht. Barzagli köpfte Misimovics Ecke freistehend drüber (18.). Kurz darauf tat Misimovic selbiges nach einem Konter und einer idealen Flanke von Riether. "Sie hatten zwei Kopfbälle, wenn sie in Führung gehen, haben wir ein Problem", sagte Manchester Uniteds Manager Alex Ferguson.
Man kann nicht sagen, dass der VfL sich vor allem nach der Pause nicht richtig gemüht hätte. Speziell Kapitän Josue brachte alles ein, was er hat – und das ist eine ganze Menge. Es war die stärkste Phase des VfL, in dem Marcel Schäfer für einen Moment zu seiner Stärke zurück fand und Dzeko perfekt von der Grundlinie zum 1:1 bediente. Aber ingesamt gesehen kam halt eins nicht zum anderen. Riether, etwa, lief und fightete auf der rechten Bahn sehr engagiert, hatte aber in wichtigen Momenten nicht den Blick für den richtigen Pass. Nationalspieler Gentner agierte zu oft ungewöhnlich ungenau. Vor allem gelang dem Spielmacher Misimovic im gesamten Spiel nicht ein einziger wahrhaft spielverändernder Ball. Das passiert ihm selten.
Und einen frühen Elfmeter vermißte Veh auch in diesem Spiel, als der Ersatz-Libero Michael Carrick den Japaner Makoto Hasebe im Strafraum foulte. "Pech", nennt Veh das. Er sieht eine richtige Pechsträhne. Die Sache werde sich "irgendwann drehen".
Am Sonntag wäre ein passender Zeitpunkt. Da kommt am vorletzten Spieltag der Bundesligavorrunde Borussia Dortmund in die VW-Arena, das ist das erfolgreichste Team der letzten Wochen. Das Erfolgsprinzip von Jürgen Klopp besteht nicht in Hurrafußball, sondern in der sehr dosierten Anwendung von Offensive durch sehr schnelle Konterstürmer. Das wird ein echter Härtetest für den modifizierten Fußball des VfL und seine bisher fragile Defensive.
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