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■ Wolfgang Niedecken hat ein Bob-Dylan-Album aufgenommenDylan, nicht Carpendale!

taz: Dylan war für dich eine Initialzündung in bezug auf Songwriting und Musikmachen generell. Begonnen hast du ja als „Dylan für Arme“ ...

Wolfgang Niedecken: Nach meinem Kunststudium bin ich an den Wochenenden mit Mundharmonika und akustischer Gitarre durch die Kölner Szenekneipen gezogen, und so hatte ich schnell das Etikett „Südstadt-Dylan“ weg. Das hat mir zunächst mal geschmeichelt und ist ja besser als „Südstadt-Carpendale“ oder so.

Wie ist demzufolge dieses Projekt zu bewerten, als „Back to the roots“ oder als definitiver Schlußstrich unter die roots?

Das ist ganz locker zu bewerten. Eigentlich wollte ich es auch mit BAP zusammen machen, aber wir haben alle sehr schnell eingesehen, daß das nicht ging. Bei BAP ist außer mir nämlich nur der Keyboarder Dylan-Fan, und der Rest hätte mir dann einen Gefallen getan. Und so ist es auch besser geworden, als wir es mit BAP hingekriegt hätten.

Die „Leopardefellband“ rekrutiert sich ja durchweg aus Spezialisten, bist du, da es ja unter deinem Namen läuft, trotzdem federführend bei dem Entstehungsprozeß der Arrangements gewesen?

Nein, überhaupt nicht. Bei der Arbeit hatte ich das Gefühl, auf der Soloplatte des Gitarristen zu singen. Der Schlagzeuger trommelte zur Soloplatte des Bassisten usw. In dieser kurzen Zeit haben wir uns die Dinge wirklich gemeinsam erspielt, und kein Mensch hat mehr an ein Soloalbum gedacht. Deshalb hat die Band ja auch einen Namen und es heißt eben nicht „Niedecken und Band“.

Hattest du keine Bedenken, daß das Projekt als Anmaßung aufgefaßt werden könnte?

Ich wollte mir einen Traum erfüllen und war und bin sehr sicher, daß das Material hieb- und stichfest ist. Und diese Schriftgelehrten, die dann hinter jeder Zeile her sind, interessieren mich nicht. Ich wollte ja eine Rock-'n'-Roll-Platte machen und keine werkgetreue Übersetzung.

Eignet sich Kölsch besonders beim Dylansingen, weil es weicher klingt und nicht notwendigerweise hochdeutsche Konstrukte postuliert, sondern – im Sinne von Dylan – assoziatives Texten zuläßt?

Ja, dieser Umstand erklärt ja auch den am Anfang von niemandem für möglich gehaltenen Erfolg von BAP. Kölsch ist wie alle anderen Dialekte eine gewachsene, gelebte Sprache, während Hochdeutsch ja Konvention ist. Wer kann schon in einer Amtssprache Gefühle ausdrücken?

Als Gitarrist ist Dylan ja eher 2. Bundesliga, was macht ihn für dich aus?

Ich bewundere vor allem, daß er sich – bei allen Fehlern – immer treu geblieben ist und immer wieder Türen aufgestoßen hat. Er hat sich nie in irgendwelchen Trends bewegt. Er hat die Türen geöffnet für „Beggars' Banquet“ von den Stones, was die Texte betrifft für „Sergeant Peppers“ und hat musikalisch immer Kontrapunkte gebracht.

Dylans Art, Gitarre zu spielen, führt ja über den Umweg des Dilettantismus ...

... zum Genialen. Aber es kann auch sein, daß er einfach stinkfaul ist und nichts dazulernt. Ich glaube er bewundert Keith Richards.

Du ja auch.

Ja, sicher. Die drei von der Tankstelle am Ende des Live-Aid- Abends, das ist ja mittlerweile Kult, was die da abgezogen haben. Die kamen rattendicht auf die Bühne und zeigten mal eben, was Rock 'n' Roll ist.

Eigentlich müßte euer Projekt doch ganz in Dylans Sinne sein, schließlich „covert“ er sich ja selbst ständig, unterzieht seine Songs einem Wandlungsprozeß!

Ich denke mal, daß es ihm gefallen würde, weil er seine Songs auch nie als fertig angesehen hat. Wenn die Songs gut sind, dann kommt es auf die Ideen für das Arrangement und auf Spielfreude an, und dann ist das für den Moment gut. Das heißt aber nicht, daß das für alle Zeiten die perfekte Version ist.

Das Ganze ist – trotz aller Ehrfurcht – eher ein Coveralbum denn ein Tributalbum, oder?

Mit einem Tributalbum hätte man ihm keinen Gefallen getan. Es nervt ihn sicherlich, eine Legende zu sein. Der Mann lebt, und von ihm wird noch viel kommen.

Songs wie „Absolutely Sweet Marie“ oder „Sooner or Later“ wurden ja regelrecht „verbapt“.

Vielleicht klingt es manchmal so, aber diese Art von Rock 'n' Roll wird von BAP eigentlich gar nicht gerne gespielt. Das sind immer die Nummern, die sie nur zähnknirschend aufnehmen. Mit der Leopardefellband war da die Spielfreude viel größer.

Eure Arrangements sind ja präziser, „technischer“, transparenter als die Originale. Geht da nicht Authenzität verloren?

Wir hätten auch alle unbeholfener tun können, aber diese Band ist nun mal ein A-Team. Es ist einfach besser, die Grundtakes nicht hinterher zuzumatschen. Die Kunst liegt tatsächlich in der Reduktion.

Du sagst, daß die Leopardefellband auch über Platte und Tour hinaus existieren wird, steht dann demnächst ein Rolling-Stones-Album an?

Der Gedanke liegt natürlich ziemlich nahe ... oder ein Heinrich- Böll-Album ... (lacht sich kaputt) Nee nee, das sollte man sich verkneifen.

Das wäre schön.

Das Interview führte Benjamin v. Stuckrad-Barre

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