Wolfgang Müller zu Elfensteinen: „Eine Art Denkmalschutz“
In Island haben Aktivisten verhindert, dass eine Straße durch eine „Elfenkirche“ gebaut wird. Der Islandexperte Müller über Bauprojekte, Poesie und die Unerklärbarkeit.
taz: Herr Müller, in der isländischen Stadt Garsabaer wird nun doch wie geplant eine Straße gebaut, die „Elfenkirche“, ein Lavastein, der auf der geplanten Route liegt, wird aber versetzt. Haben Sie von diesem Fall schon gehört?
Wolfgang Müller: Ne, aber sowas passiert in Island ständig. Einerseits spielen Steine und Felsen mythologisch gesehen eine Rolle und genießen eine Art Denkmalschutz. Wären es Gebäude, würde man die ja auch nicht einfach beiseite schieben. Deswegen gibt es oft Protest.
Manchmal haben solche Berichte aber auch eine andere Ursache, als sie in deutschen Medien dargestellt werden. Bei manchen Bauprojekten, die zum Beispiel scheitern, wird dann der Verweis auf die Elfen als eine poetische Umschreibung der technischen Unmöglichkeit genutzt. Eigentlich geht es da aber nur um Vetternwirtschaft. Man muss sich das von Fall zu Fall genau ansehen.
Die Stadt Garsabær liegt bei Hafnarfjörsur, das als Hochburg der Elfenkultur gilt. Was ist so besonders an dem Gebiet?
In Island gibt es ja vor allem Landschaft und wenig Gebäude. Die Stadt Hafnarfjörsur war mal ein Handelsplatz. Dort gab es früher nur drei Häuschen. Drumherum und in der Stadt gibt es jetzt verschiedene Felsformationen und Lavagesteine. Die Elfenbeauftragte Erla Stefansdottir wurde dann einmal gefragt, ob sie nicht mal aufzeichnen will, wo da überall Elfen leben. Die hat ja Antennen dafür.
Jahrgang 1957, lebt als Künstler in Berlin und Reykjavik. Sein Buch „Neues von der Elfenfront – die Wahrheit über Island“ erschien 2007 im Suhrkamp-Verlag. In der taz veröffentlichte er Ende 2000 die Elfenpost Nr.2.633.120.
Es ist immer wieder zu lesen, dass die Elfen böse werden oder Flüche aussprechen. Wie ist das zu verstehen?
Ja, das kann schon sein. Elfen sind ja keine Engel. Die sind eher menschenähnlich. Aber man kann das Ganze auch uminterpretieren. Zum Beispiel wenn etwas nicht so funktioniert, wie gedacht. Da werden dann Grenzen aufgezeigt, die vorher nicht sichtbar waren. Das passiert auch manchmal bei Naturkatastrophen.
Zum Beispiel auch wenn ein Vulkan ausbricht, wie zuletzt der Bardabunga?
Ja, klar. Man kann ja nicht von den Wissenschaftlern alles verlangen. Das ist ja keine Sache, die man komplett logisch erklären könnte. Der Rest der Unerklärbarkeit sammelt sich eben im Begriff von Elfen, Trollen und Zwergen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden