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Wolf Wittenfeld über Erdoğans Vereidigung und die EUNicht mehr kompatibel

Seit Montag hat die Europäische Union im Kreise ihrer Beitrittskandidaten einen neuen Präsidenten. Zwar ist dieser neue mit Recep Tayyip Erdoğan auch der alte, aber er ist nun ein Präsident, der durch Wahlen praktisch als Alleinherrscher legitimiert wurde. Eine vergleichbare Machtfülle hat sonst kein Staatschef im EU- oder auch im Nato-Verbund, weder der Franzose Emmanuel Macron noch der irrlichternde US-Präsident Donald Trump.

Die Gewaltenteilung als konstituierendes Element einer echten Demokratie ist in der Türkei seit gestern nicht mehr nur de facto, sondern auch de jure aufgehoben. Mit der Wertegemeinschaft der EU und der Nato, so wie sie immer wieder beschworen wurde, ist das Land damit nicht mehr kompatibel.

Forderungen, den EU-Beitrittsprozess deshalb endgültig abzubrechen und auch die Mitgliedschaft der Türkei in der Nato zu beenden, sind aber dennoch ein zweischneidiges Schwert. Die Frage lautet folgendermaßen: Würde den demokratischen Kräften in der Türkei dadurch geholfen? Ließe sich durch demonstrative Abweisung, vielleicht noch verbunden mit Wirtschaftssanktionen, womöglich ein Regierungswechsel erzwingen?

Die Antwort ist wohl nein, zumal es innerhalb der EU dazu auch keine einstimmige Haltung, ja noch nicht einmal eine Mehrheit gäbe. Die Osteuropäer sehen das mit der Gewaltenteilung erfahrungsgemäß selbst nicht so eng, die Südeuropäer wollen mit der Türkei Handel treiben, und das einzige Land, das Erdoğan aus EU und Nato wirklich rauswerfen will, nämlich Österreich, hat auch nicht gerade die lautersten Motive.

Bleibt für Deutschland und Frankreich die Fortsetzung des Drahtseilaktes der vergangenen Jahre. Als wichtigste Handelspartner der Türkei sollten sie ihren Einfluss für die Unterdrückten im Reiche Erdoğans geltend machen – und gleichzeitig den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht: Es wird eine Zeit nach Erdoğan geben.

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